Die Abgeordnetenkammer des tschechischen Parlaments hat am 20. März das derzeitige russische Regime als "die größte Sicherheitsbedrohung für die Tschechische Republik" bezeichnet. Das tschechische Interesse sei eine unabhängige, demokratische und freie Ukraine, die fest in den internationalen Strukturen verankert sei, so das Unterhaus in einer Entschließung, die am Ende einer außerordentlichen Sitzung über Sicherheitsbedrohungen auf Vorschlag der Regierungskoalition nach rund 19-stündigen Beratungen angenommen wurde.
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Bild: Autor: Neznámý – pomocí Vlastní dílo pomocí Poslanecké sněmovny Parlamentu České republiky, volné dílo
Die Kammer sprach sich auch für die Fortsetzung der Hilfe für die Ukraine aus. Die Sondersitzung wurde von den Koalitionsparteien als Reaktion auf die Verfahren und einige vorangegangenen Äußerungen des Oppositionsführers Andrej Babiš (ANO) einberufen.
Der Vorschlag der Regierungskoalition wurde von der Abgeordnetenkammer mit den Stimmen von 84 Mandataren - ausschließlich aus dem Regierungslager - angenommen. Für die Annahme des Antrags waren mindestens 72 Stimmen erforderlich. Die Abgeordneten der Oppositionsparteien ANO und SPD haben den Antrag nicht unterstützt. Beide Oppositionsbewegungen brachten ihre Entschließungsanträge ein, die wiederum von der Regierungsmehrheit abgelehnt worden sind.
"Das derzeitige Terrorregime in Russland stellt mit seinem Expansionismus und seinen Bestrebungen, seinen Einflussbereich auf die Ukraine und andere Länder in Europa auszudehnen, begleitet von Kriegsverbrechen, die größte Sicherheitsbedrohung für die Tschechische Republik dar; es liegt daher im grundlegenden Interesse der Tschechischen Republik, dass Putins Krieg gegen die Ukraine keinen Erfolg hat, dass die Ukraine sich verteidigt und ihre territoriale Integrität innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen wiederherstellt und dass das russische Regime wirksam von weiteren Aggressionen gegen Europa abgehalten wird", heißt es in der angenommenen Entschließung. Um den tschechischen Sicherheitsinteressen gerecht zu werden, sei es notwendig, die Ukraine weiterhin zu unterstützen.
In der Parlamentsdebatte waren die Bruchlinien zwischen Regierung und Opposition deutlich erkennbar. Michal Zuna (TOP'09) beschrieb die Russische Föderation als "eine große externe Bedrohung". "Der aggressive russische Bär muss gestoppt werden, weil er ein Sicherheitsrisiko für unser Land darstellt“, fügte Ondřej Lochman (STAN) hinzu. ANO-Abgeordnete verwiesen auf eine bereits vor zwei Jahren verabschiedete Parlamentsresolution, in der das Unterhaus diplomatische Schritte für ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine forderte. "Es ist immer besser, eine friedliche Lösung zu versuchen, als nur mit Waffen zu kämpfen, das machen wir jetzt schon seit zwei Jahren“, sagte Hubert Lang (ANO).
Opposition sprach von "Anti-Babiš-Parlamentssitzung"
"Ein normaler Mensch versteht nicht, warum dieses Treffen einberufen wurde", sagte Ex-Premier und ANO-Chef Andrej Babiš. "Es ist eine Anti-Babiš-Parlamentssitzing", ergänzte er und fragte sich, warum bei der Debatte so viele Regierungsabgeordnete im Plenum fehlten. Ihm zufolge versucht das Kabinett zu verschleiern, dass es in 2,5 Jahren keine Ergebnisse außer "Rekordpreise und Armut" erzielt hat, dass es seine Versprechen nicht einhält, kein Konzept hat und nur von der Arbeit seiner ehemaligen Regierung zehrt. Laut Babiš konzentrierte sich die Regierung von Fiala nur auf die Unterstützung der Ukraine. "Das Einzige, was Ihre Agenda ist, und was diese ungleiche Regierung zusammenhält, ist Anti-Babiš“, erklärte er.
Der ANO-Vorsitzende erklärte außerdem, dass seine Partei, wenn sie in der Regierung wäre, die Ukraine unterstützen würde. "Wir haben nie gesagt, dass es falsch sei, Waffen zu liefern", sagte er. Ihm zufolge wäre es die beste Lösung, "wenn der russische Machthaber Wladimir Putin die Ukraine einschließlich der Krim verlassen würde, und der Krieg enden würde". Babiš dementierte im Unterhaus weiters, er habe gesagt, dass die Tschechische Republik ihre Verpflichtungen aus der NATO-Mitgliedschaft nicht einhalten solle. Dennoch sagte Babiš in einer Debatte mit dem Journalisten Martin Řezníček vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl, die vom Tschechischen Fernsehen übertragen worden ist, dass er im theoretischen Fall eines Angriffs auf Polen oder die baltischen Staaten keine tschechischen Soldaten zur Hilfe schicken würde.
Zu dieser Aussage nahm Babiš ebenfalls im Parlament Stellung: "Der Journalistenaktivist Řezníček fragte mich nach einem hypothetischen Angriff auf Polen. Und er ließ mich den Satz nicht zu Ende bringen, dass ich eine solche Möglichkeit - etwa einen Angriff Russlands auf ein NATO-Mitgliedsland - überhaupt nicht diskutieren möchte. Denn das würde einen thermonuklearen Krieg bedeuten", betonte der ANO-Chef in der Abgeordnetenkammer. "Ich habe gesagt, dass ich keinen Krieg will, dass wir ihn verhindern müssen. Ich habe nie gesagt, dass wir unsere Verpflichtungen nicht einhalten würden", fügte Babiš hinzu.
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