Die Tschechische Republik hat zusätzlich zur EU-weiten Sanktionsliste gegen Politiker, Unternehmer und andere Schlüsselpersonen rund um die russische Invasion in die Ukraine eine eigene, nationale Liste aufgestellt. Sie umfasst bislang eine einzige Person, nämlich Patriarch Kyrill von Moskau, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Kyrill scheint auf der EU-Liste aufgrund des Vetos Ungarns nicht auf. Nach Angaben des Außenministeriums werden weitere Namen auf die tschechische Sanktionsliste hinzukommen.
Patriarch Kyrill
Bild: Von Duma.gov.ru, CC BY 4.0
Die Regierung von Premier Petr Fiala (ODS) hat auf ihrer Sitzung vom 26. April die Erstellung einer nationalen Sanktionsliste beschlossen. Grund dafür war die Tatsache, dass einige Personen nicht auf die Sanktionsliste der Europäischen Union gesetzt worden waren. Bislang steht jedoch nur ein einziger Name auf der tschechischen Liste. "Wir haben den ersten Namen auf unserer Sanktionsliste. Das Kabinett hat meinen ersten Vorschlag angenommen," erklärte Außenminister Jan Lipavský (Piraten) nach dem Ministerrat.
Bedingung für die Aufnahme in die Liste sei, dass es sich um Personen handelt, die "gründlich dokumentierte Aktivitäten gesetzt haben, die die territoriale Integrität und Unabhängigkeit der Ukraine verletzen oder bedrohen", so der Außenminister. Die erste Person auf der nationalen Liste ist Wladimir Michailowitsch Gundjajew, besser bekannt als Patriarch Kyrill. Er ist ein Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche und hat das Amt des Patriarchen von Moskau und ganz Russland inne. Kyrill stehe vor allem wegen seines Bündnisses mit Wladimir Putin auf der Sanktionsliste, begründete das Außenministerium in seiner offiziellen Erklärung.
"Am 20. November 2022 erklärte Patriarch Kyrill öffentlich, dass er als Patriarch, der die gesamte Kirche vertritt, und dass er und Präsident Putin in den sehr wichtigen Fragen unserer Zeit einer Meinung sind. Außerdem segnete er am 1. Februar 2023 Wladimir Putin, der 'mutig die wahre Souveränität des Landes verteidigt', und alle anderen, die heute 'einen unabhängigen, freien Kurs verteidigen, der von unseren wahren geistigen, kulturellen und historischen Interessen diktiert wird'", heißt es in der Begründung des tschechischen Außenministeriums.
Der Patriarch hat sich seit Februar letzten Jahres öffentlich zur russischen Aggression in der Ukraine geäußert und hält das überfallene Land nicht für einen souveränen Staat. "Er betrachtet das Territorium der Ukraine aus historischer und religiöser Sicht als Teil Russlands und bezeichnet daher all jene, die gegen die Einheit Russlands und der Ukraine kämpfen, als 'Kräfte des Bösen'", heißt es in der Begründung weiter. Kyrill habe den Krieg als "die Rettung der Menschheit" bezeichnet.
Großbritannien, Kanada, Litauen und die Ukraine haben bereits Sanktionen gegen Patriarch Kyrill beschlossen. "Wir werden jedoch weiterhin alle Vorschläge für Sanktionen zuerst auf EU-Ebene diskutieren, da es einen Unterschied macht, ob siebenundzwanzig Länder Maßnahmen beschließen oder ein Beschluss nur in der Tschechischen Republik gilt", erklärte Lipavský.
Die Namen auf der Sanktionsliste werden der Regierung vorgeschlagen und von ihr genehmigt. Wenn das Außenministerium qualifizierte Informationen darüber erhält, dass eine bestimmte Person eine sanktionswürdige Handlung begangen hat oder gerade begeht, unterbreitet es der Regierung einen Vorschlag zur Aufnahme dieser Person in die Sanktionsliste. Entscheidend ist, dass die Aufnahme in die Liste im außenpolitischen oder sicherheitspolitischen Interesse der Tschechischen Republik liegt.
Laut Lipavský ist Patriarch Kyrill nur das erste Aushängeschild Das Außenministerium arbeitet nun an der Aufnahme weiterer Namen auf die Liste. "Wir werden an weiteren Vorschlägen arbeiten, das System wird allmählich ausgerollt. Es werden weitere Namen hinzukommen", Betonte Außenminister Lipavský nach der Kabinettssitzung.
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