Es dauerte über vier Jahre, bis der Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Markus Söder, erstmals zu einem offiziellen Besuch in der tschechischen Hauptstadt Prag eintraf. Nach Horst Seehofer ist er erst der zweite weißblaue Regierungschef, der in der Tschechischen Republik einen Staatsbesuch absolviert. Söder besprach mit Premier Petr Fiala vor allem Energiethemen, mit dem Ergebnis, dass Bayern mehr Durchfluss an Erdöl durch die Transalpine-Pipeline für Tschechien zur Verfügung stellen wird. Neben zahlreichen Nachbarschaftsthemen wie die Bahnstrecke München-Prag stand auch das Konfliktthema rund um ein geplantes tschechisches Atommüllager in bayerischer Grenznähe auf der Tagesordnung.
Markus Söder und Petr Fiala
Bild: Facebook/Petr Fiala
In Anschluss an die Unterredungen verkündeten Söder und Fiala auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die beschlossenen Vereinbarungen. Bereits ab dem nächsten Tag wird Bayern den Durchfluss eines größeren Volumens an Öltransporten durch die Transalpine Pipeline, die von Italien und Österreich und Bayern nach Tschechien führt. Es werde sich um die Größenordnung von 17 Prozent Steigerung handeln. "Das ist ein wichtiger Schritt zur Derussifizierung unserer Wirtschaft", sagte Fiala. Die beiden Regierungschefs betrachteten die Energiesicherheit Europas und die Unabhängigkeit von Erdgas- und Erdöllieferungen aus Russland als besonders wichtige Themen der Politik. Dazu zähle die Optimierung der LNG-Versorgung, insbesondere der Terminals, sowohl von Norden, als auch von Süden.
Söder beglückwünschte in diesem Zusammenhang Tschechien für die abgeschlossenen Verträge mit den Niederlanden, die für den Winter eine gute Gasversorgung sicherstellen sollten. "Es stimmt mich sorgenvoll, dass ein kleiner, aber sehr aktiver Partner seine Versorgung gewährleisten kann, während sich Deutschland schwer tut", sagte er mit einem Seitenhieb auf die Berliner Bundesregierung. Fiala forderte eine Solidaridat unter den EU-Ländern ein, falls es durch Lieferungsausfälle aus Russland zu Versorgungsengpässen kommen sollte.
Das Thema, welches nur wenig Harmonie zwischen Bayern und Tschechien erzeugte, war ein projektiertes Atommüllager, welches in Böhmen in Grenznähe zu Bayern entstehen soll. Fiala zeigte Verständnis für die Befürchtungen Bayerns, Söder forderte Transparenz ein und die Beteiligung der Öffentlichkeit auch auf der deutschen Seite. "Ein anderer Standort könnte uns natürlich glücklicher stimmen", meinte Söder.
Das Treffen der beiden Politiker befasste auch das Dauerbrenner-Thema Verkehr. Dass die Bahnverbindung München-Prag erhebliches Verbesserungspotenzial aufweist, ist schon seit Jahren bekannt. Fiala wies darauf hin, dass die Elektrifizierung der Strecke auf tschechischer Seite nahezu abgeschlossen sei, während in Deutschland dieses Vorhaben erst in acht Jahren in Angriff genommen werden soll. Söder spielte den Ball wieder an die Bundesregierung in Berlin, (deren Verkehrsministerposten die letzten Jahre von seinen Parteikollegen bekleidet worden ist, Anm.): "Auf deutscher Ebene hat man das Verkehrsetat etwas gekürzt, wir werden darauf achten, dass das diese Strecke nicht betrifft", sagte der Ministerpräsident.
Die während des Besuchs Söders in Prag zur Schau gestellte Einigkeit könnte bald ihre Nagelprobe bekommen, wenn der Ernstfall eines Totalausfalls an Gas und Öl aus Russland eintritt. Die Erfahrungen aus der Corona-Krise lassen befürchten, dass den Regierungen letztendlich das Hemd doch näher ist als der Rock.