Glaubt man den höchsten Vertretern beider Länder, so steht es um das Verhältnis zwischen Deutschland und Tschechien besser denn je. Die Bayerisch-tschechischen Freundschaftswochen erhielten hohen Besuch vom tschechischen Staatsoberhaupt, die Prager Regierung entsendet erstmals einen offiziellen Vertreter zum Sudetendeutschen Tag nach Regensburg und Präsident Petr Pavel würdigte persönlich den Vorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL), Bernd Posselt, in dessen Amtszeit der Passus "Wiedergewinnung der Heimat" aus der Satzung gestrichen worden ist. Die Zeiten der Corona-Maßnahmen, in der im Zuge der Grenzsperren die alten Feindbilder auf beiden Seiten aufgelebt sind, scheinen vergessen.
Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei den Bayerisch-tschechischen Freundschaftswochen in der Grenzstadt Selb
Bild: Facebook/Petr Pavel
"Ich begrüße den Wandel in der Sudetendeutschen Landsmannschaft und möchte mich bei Bernd Posselt bedanken, ich weiß das wirklich sehr zu schätzen", sagte Pavel in seiner Rede bei der Eröffnung der Bayerisch-tschechischen Freundschaftswochen in Selb. Posselt war wie auch Pavel einer der Ehrengäste bei der Veranstaltung, zu der der Staatspräsident außerprotokollarisch mit seinem Motorrad angereist ist. Nach Ansicht des tschechischen Staatschefs sei aktuell das deutsch-tschechische Verhältnis das beste der letzten Zeit und biete eine Grundlage für die weitere Zusammenarbeit. In seiner Rede wies Pavel unter anderem auch auf die Notwendigkeit hin, gemeinsam an der Lösung der Migrationsprobleme zu arbeiten, anstatt sich mit dem Gedanken zu befassen, die Grenzen wieder zu schließen.
Gleichzeitig mit Pavels Besuch in Selb hat Premier Petr Fiala (ODS) angekündigt, dass die tschechische Regierung erstmals einen offiziellen Vertreter zum jährlich am Pfingstwochenende abgehaltenen Sudetendeutschen Tag entsenden werde. Es gab zwar bereits tschechische Minister auf dem wichtigsten Treffen der Sudetendeutschen, diese kamen aber "privat" und mussten sich anschließend zu Hause herbe Kritik, vor allem von kommunistischen Politikern, anhören.
Bildungsminister Mikuláš Bek wird die Tschechische Republik am Sudetendeutschen Tag vertreten
Die tschechische Regierung wird durch Bildungsminister Mikuláš Bek (STAN) in Regensburg vertreten sein. Bek war bis Anfang Mai Europaminister und zeichnete für den EU-Ratsvorsitz seines Landes im vergangenen Jahr verantwortlich. Beks Sprecherin Aneta Lednová bestätigte die Teilnahme des Bildungsministers. "Minister Mikuláš Bek wird an dem Kongress teilnehmen, da er sich als Senator aus Brünn seit langem mit dem Thema der Beziehungen und der Versöhnung im Zusammenhang mit der Vertreibung der Deutschen in der Nachkriegszeit beschäftigt", sagte Lednová.
Auf dem Kongress wird die höchste Auszeichnung der Landsmannschaft, der Europäische Karlspreis, an den tschechischen Sozialdemokraten und ehemaligen Vizepräsidenten des Europaparlaments, Libor Rouček, und den deutschen Diplomaten Christian Schmidt verleihen. Sie werden für ihre Rolle bei der Annäherung der Völker Mitteleuropas geehrt.
Kritik an der neuen Sudetendeutschen-Politik Tschechiens von Klaus und Okamura
Die Annäherung des tschechischen Staatspräsidenten Pavel an Bernd Posselt ist in der aktuellen Innenpolitik nur ein Randthema. Pavels Vor-Vorgänger Václav Klaus reagierte jedoch erbost: "Ich bin schockiert, dass der Präsident einer dubiosen Person für den Aufbau der tschechisch-deutschen Beziehungen gedankt hat", sagte der ehemalige Staatschef in der TV-Diskussionssendung "Partie Terezie Tománkové" auf CNN Prima News. "Ich bin absolut empört. Die Aufgabe heutiger Politiker ist es nicht, die Vergangenheit umzuschreiben", so der Ex-Präsident weiter.
Auch der Chef der rechten SPD, Tomio Okamura, äußerte sein Missfallen an der Annäherung von Prager Burg und Regierung an die SL. "'Ich danke Berndt* Posselt für die Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen', sagte Pavel ebenfalls kürzlich. Angesichts seiner Aussage ist es auch möglich, dass er sich als Sudetendeutscher sieht. Dann würden seine Worte einen Sinn ergeben. Aber er soll nicht für das tschechische Volk sprechen, dessen Vorfahren während des Zweiten Weltkriegs unter der Gewaltherrschaft der Deutschen und der Sudetendeutschen gelitten haben!", schrieb Okamura auf seiner Facebook-Seite.
*) Originalschreibung Okamura
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