Tschechische Landwirte und im Agrarsektor Beschäftigte haben sich am 27. März den europäischen Protesten gegen Lebensmittelimporte von außerhalb der Europäischen Union angeschlossen. Die Landwirte sind besonders besorgt über das Handelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Ländern, sowie über die zollfreien Importe aus der Ukraine, da die Landwirte in diesen Ländern nicht die strengen Standards der EU einhalten müssen. Die Hauptorganisatoren der Proteste sind die Landwirtschaftskammer (AKČR) und die Agrarunion der Tschechischen Republik (SZ ČR). Landwirtschaftsminister Marek Výborný (KDU-ČSL) hat bereits erklärt, dass die Proteste nichts bringen werden.
Blockaden an neuralgischen Punkten im Straßennetz und an einigen Grenzübergängen
Bild: Facebook/Agrární komora České republiky
Zu den Forderungen der Landwirte gehören die Aufhebung des Handelsabkommens zwischen der EU und Mercosur, der Abschluss eines neuen Abkommens zwischen der EU und der Ukraine, die Gewährleistung eines maximalen Marktschutzes durch die EU und die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen auf dem europäischen Markt. Außerdem fordern sie einen Abbau der Bürokratie und die Unterstützung der europäischen Initiative "Stop Falsified Food", die darauf abzielt, die Herkunft aller Lebensmittel auf dem europäischen Markt klar anzugeben. Nach Ansicht der Landwirte wird das Handelsabkommen zu einem Anstieg der Einfuhren von Zucker, Mais, Rind- oder Geflügelfleisch führen, wodurch die Preise auf dem europäischen Markt sinken und die tschechischen Erzeuger letztlich verdrängt werden könnten.
Jan Doležal, Präsident der Landwirtschaftskammer der Tschechischen Republik, zeigte sich besonders besorgt über die Auswirkungen auf die Viehzucht und glaubt, dass einige Betriebe schließen könnten. "Wir können keine Kühe für Autos verkaufen", sagte Doležal.
Zu kurzfristigen Grenzblockaden kam es in Náchod Richtung Polen, am Grenzübergang Folmava/Furth im Wald Richtung Deutschland und in Hodonín (Göding), wo sich Demonstranten aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Österreich versammelten. Bei dieser Protestaktion war auch der Präsident des SZ ČR, Martin Pýcha, vor Ort. "Wie sollen wir mit Ländern konkurrieren, in denen Gas und Strom billiger sind und in denen der Lohn eines Landwirts um ein Vielfaches niedriger ist als bei uns?", rief er ins Megaphon. Ihm sei es wichtig, den gegenseitigen Handel nicht einzuschränken, jedoch das Abkommen mit Mercosur halte er für ungerecht. Andrej Gajdoš, der Vorsitzende der slowakischen Landwirtschaftskammer, sagte, das Abkommen sei auch ein "Spiel mit der Gesundheit der Verbraucher, da einige südamerikanische Länder Wachstumshormone oder Pestizide in der landwirtschaftlichen Produktion einsetzen können, die in Europa verboten sind". Nach Ansicht der österreichischen Vertreter ist das Mercosur-Abkommen weder fair, noch gerecht, noch richtig.
Eine weitere Protestversammlung gab es auch in Mittelböhmen im Raum Kolín. Die Bezirkslandwirtschaftskammer Kolín erklärte in einer Stellungnahme, dass sich die Krise in der Landwirtschaft verschärfe und immer mehr Landwirte auf Verluste zusteuern. "Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Einkaufspreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse häufig unter den Produktionskosten liegen. Die Landwirte sind größtenteils nicht in der Lage, den Verkaufspreis für ihre Erzeugnisse zu bestimmen und müssen den vom Markt angebotenen Preis akzeptieren, der jedoch stark durch das Angebot an landwirtschaftlicher Produktion aus Ländern außerhalb der Europäischen Union, wie der Ukraine, Russland, Weißrussland und Ländern in Südamerika, beeinflusst wird", sagtee Vojtěch Kšírl, Vorsitzender der Landwirtschaftskammer im Bezirk Kolín.
Auch in der Region Aussig (Ústí nad Labem) protestierten Landwirte. Sie wurden vom ehemaligen ANO-Umweltminister und nunmehrigen Hejtman der Region, Richard Brabec, empfangen, dem sie eine Erklärung überreichten. Darin fassen sie zusammen, wogegen sie protestieren. Außerdem fordern sie, dass die lokalen Erzeuger und Landwirte in der Region ihre Produkte an Schulen und soziale Einrichtungen liefern dürfen. Brabec sagte, er gehe davon aus, dass bis Ende des Jahres ein so genannter Online-Marktplatz in Betrieb genommen werden könne, der beitragszahlende Organisationen mit Landwirten verbindet.
Landwirtschaftsminister glaubt nicht an Wirkung der Proteste
Der tschechische Landwirtschaftsminister Marek Výborný sagte als Reaktion auf die Proteste, dass diese nichts an der derzeitigen Situation ändern würden. Ihm zufolge werden die Landwirte erheblich unterstützt. "Ich wage zu sagen, dass sich die Dinge zum Besseren wenden", sagte er am Mittwoch auf dem Nachrichtensender ČT24.
Ein Minimum an Produkten werde aus südamerikanischen Ländern nach Europa importiert und die importierten Mengen können die lokalen tschechischen Produzenten nicht vom Markt verdrängen, sagte Výborný. Der Minister hat kein Verständnis für die Landwirte, die wegen der Importe aus Drittländern landesweit protestieren. Er wies darauf hin, dass das Abkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Ländern, das die Landwirte grundsätzlich ablehnen, keine absolute Marktliberalisierung bedeute.
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