Es ist mittlerweile schon wieder mehr als ein Jahr her, dass Miloš Zeman aus dem Präsidentenbüro der Prager Burg ausgezogen ist. Die Medienpräsenz des Ex-Präsidenten ist zwar geringer geworden, bei seinen öffentlichen Auftritten nimmt sich Zeman jedoch nach wie vor kein Blatt vor den Mund. Im jüngsten Interview vom 29. April mit dem Privatradiosender Prostor war die elitäre Prager Klüngelgesellschaft - Zeman nennt sie "das Prager Kaffeehaus" - Zielscheibe seiner Polemik, der "Neo-Pensionist" nahm aber auch neben vielen anderen aktuellen Entwicklungen die seiner Ansicht nach ungerechte und undurchdachte Rentenreform der Regierung ins Visier seiner Kritik.
Ex-Präsident Miloš Zeman - seit März 2023 "Polit-Pensionist"
Bild: Facebook/Miloš Zeman
"Ich bin ein zufriedener tschechischer Senior. Nach allen Schätzungen beträgt meine Altersrente jetzt 24.000 Kronen (957 Euro, Anm.). Es liegt also etwas über dem Durchschnitt, denn der Durchschnittsbetrag liegt bei 20.000 (797 Euro, Anm.)", sagte Zeman in der Rediosendung "Über alles". "Ich gehe mit dem Rollator, erlaube es mir jedoch ab und zu, auch eigene Schritte zu machen. Also wird es hoffentlich besser werden", beschrieb er seinen aktuellen Gesundheitszustand.
Den Zustand der Tschechischen Republik sieht das ehemalige Staatsoberhaupt allerdings weniger optimistisch. Es haben sich in der Hauptstadt einflussreiche Netzwerke gebildet, bei denen es mehr auf die Loyalität, als auf die Fähigkeiten ankomme. Zeman hat hiefür den Spottbegriff "Pražká kavárna (Prager Kaffeehaus)" geprägt, auf den er bei keinem seiner öffentlichen Auftritte vergisst. "Das Prager Kaffeehaus - man muss sagen, dass es nicht nur die Prager Redakteure sind, sondern auch Leute, die sich fälschlicherweise für die Elite halten. Dabei sind sie nur die Handlanger der aktuellen Regierungspolitik. Sie sind in keiner Weise begabt, aber sie handeln mit großer Unterwürfigkeit".
Für Kritik an der Regierungspolitik bot das ausführliche Radio-Interview zahlreiche Gelegenheiten. Aus der Sicht des Neo-Pensionisten Zeman war die Rentenreform eine schwere Fehlentscheidung der Regierungskoalition unter Premier Petr Fiala (ODS). Man hätte das Gespräch und den Kompromiss mit der Opposition suchen müssen, so der Ex-Präsident. "Politik ist ein Kompromiss, und wenn die Regierungsseite bei der Rentenreform nicht kompromissbereit ist, dann läuft sie Gefahr, dass die ANO-Bewegung in der Regierung nach den nächsten Wahlen, die sie wahrscheinlich gewinnen wird, die Rentenreform insgesamt abschafft. Wenn es einen Kompromiss gäbe, würde man sich vielleicht nicht auf alle, aber auf einige Punkte einigen", kommentierte Zeman.
Beim Thema Migrationspakt ortete er Informationsdefizite innerhalb der Regierung. Während Vizepremier und Innenminister Vít Rakušan (STAN) behauptete, es gäbe keine Aufnahmequoten für einzelne Länder, sagte der Europaabgeordnete Alexandr "Saša" Vondra von der ODS, dass de facto Quoten existieren, man sich aber davon "freikaufen" könne. Zeman dazu: "Es ist gut, dass Saša Vondra einmal die Wahrheit gesagt hat, es ist gut, dass er ein EU-Abgeordneter ist, der, glaube ich, sogar gegen den Migrationspakt gestimmt hat, und es ist schlecht, dass der Innenminister nicht informiert genug ist, um zu wissen, was der Migrationspakt eigentlich beinhaltet. Ich denke, die Tschechische Republik braucht keine uninformierten Minister in der Regierung."
Anders als die Opposition, kritisierte Zeman nicht die jüngste Reise von Premier Fiala nach Washington, um sich dort für Waffenlieferungen an die Ukraine einzusetzen. "Das ist gut. Ich war immer der Meinung, dass der Ukraine geholfen werden muss, sie wurde angegriffen, so wie wir im August '68 angegriffen wurden. Wir haben uns nicht verteidigt, die Ukraine verteidigt sich, es ist gut, dass sie sich verteidigt und es ist gut, dass ihr geholfen wird", sagte der ehemalige Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Da vor einigen Tagen das Buch "Verschwörung“ erschien, das die Zeit schildert, in der Präsident Zeman schwer erkrankt war und es viele Vermutungen und Spekulationen um seine Person gab, wurde es auch in diesem Interview erwähnt. (Der Moderator ist einer der Autoren des Buches, Anm). Zeman sagte, in dieser Zeit habe man versucht, ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt aus dem Amt zu schaffen. "Irgendeine Džamila Stehlíková äußerte sich, und am Ende wurde mir meine Mündigkeit entzogen und ein vorübergehender Vormund ernannt. Glücklicherweise gab es nicht nur das Gericht in erster Instanz, das es akzeptierte, denn das anschließende Berufungsgericht lehnte es ab“, beschrieb der ehemalige Präsident diese Zeit.
Zeman informierte bei dieser Gelegenheit, dass er zur Zeit an seinen Memoiren unter dem Titel "Präsidentenschicksal" (tschechisch original "Prezidentský úděl") arbeite. Er werde darin auch seine Fehler eingestehen. Immerhin gab Zeman am Ende des Interviews zu, dass er seine Fehleinschätzung gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für einen seiner größten Fehler hält. "Ich hätte nicht geglaubt, dass er gegenüber der Ukraine einen solchen Fehler begehen würde", schloss der ehemalige Präsident.
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