Politische Analysten trauen den kleineren Parteien im politischen Spektrum Tschechiens bei der kommenden Europawahl Überraschungserfolge zu. Sie argumentieren, dass der Wahlgang für die Wähler in Tschechien für nicht so wichtig angesehen wird - man sei eher bereit, seiner Unzufriedenheit mit den traditionellen Parteien Ausdruck zu verleihen und zu "experimentieren". Dies begünstigt kleine Parteien. Das könnte der Regierungskoalition, aber auch den Oppositionsparteien ANO und SPD schaden.
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Besonders die rechte SPD fürchtet um ihre Exklusivstellung als klassische Protestpartei. Vergangene Woche schwörte Parteichef Tomio Okamura auf dem Prager Wenzelsplatz seine Anhängerschaft ein, keinesfalls für Kleinparteien zu stimmen. "Bitte lassen Sie uns unsere Kräfte nicht schwächen, indem wir uns in viele Miniparteien und Bewegungen aufspalten, die von unseren Konkurrenten künstlich aufgeblasen werden. Ihr einziges Ziel ist es, die SPD zu schwächen, die die einzig relevante Kraft ist", rief er.
Okamuras Befürchtung, dass der Druck der kleineren Parteien in diesem Jahr gerechtfertigt ist, zeigte sich schon beim Anblick des Publikums - die SPD wollte den Wenzelsplatz füllen, zog aber nur ein paar hundert Anhänger an.
Okamura nannte keinen der kleineren Konkurrenten direkt, aber in diesem Jahr gibt es eine Reihe von ihnen, die die Parlamentsparteien von unten unter Druck setzen. "Die vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass sich eine größere Anzahl von Parteien um die 5 %-Hürde herum bewegt. Okamura wird die größte Überschneidung mit den Kommunisten haben", sagte Michal Kormaňák, Analyst beim Meinungsforschungsinstitut Ipsos.
Die "Stačilo!"-Koalition ("Stačilo!" kann man auf Deutsch mit "Es reicht!" übersetzen) unter der Führung der kommunistischen Parteichefin Kateřina Konečná (KSČM) ist der Favorit unter jenen kleinen Parteien, die in den Umfragen über der 5-%-Hürde liegen. Auch das europaskeptische Bündnis aus der Bürgerbewegung "Přísaha (Schwur)" und den "Motoristé (Motoristen)" hat unerwartet hohe Beliebtheitswerte.
Weiter hinten stehen Parteien, die zwar geringere Chancen auf ein Mandat haben, aber zumindest ein paar Prozent für sich gewinnen können - die rechtsliberalen "Svobodní (Freie)", die linke ČSSD* oder die rechtsnationale PRO von Jindřich Rajchl. Aber auch die Grünen (Zelení) oder Socdem** können den Regierungsparteien einige, möglicherweise entscheidende Prozentpunkte, wegnehmen.
*) Anm.: Das ehemalige Kürzel ČSSD der Sozialdemokraten wird nun von einer linken Splittergruppe rund um Ex-Premier Jiří Paroubek unter der Bezeichnung "Tschechische Souveränität der Sozialdemokratie" verwendet.
**) Die ehemalige sozialdemokratische Regierungspartei ČSSD trägt nun die Bezeichnung "Socdem".
Die Entwicklung in den Umfragen von Dezember 2023 bis April 2024
Vergleicht man das Ergebnis der Europawahl-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts STEM/MARK vom vergangenen Dezember mit jenem aus dem April, so zeigt sich der Trend zu kleineren Parteien deutlich. Die ANO-Bewegung von Ex-Premier Andrej Babiš büßt mehr als 6 Prozentpunkte ein, während das Wahlbündnis Spolu aus den Regierungsparteien ODS, TOP'09 und KDU-ČSL fünf Prozent aufholen konnte. Die rechte SPD (im Bündnis mit der EU-Austrittsbewegung Trikolóra) lag im Dezember noch bei über 14 Prozent und ist nun gleichauf mit der regierenden Bürgermeisterbewegung (STAN) bei 10,4%.
Die kommunistisch dominierte Wahlplattform "Stačilo!" liegt wiederum stabil über der 5%-Hürde, und das könnte für die KSČM-Chefin Konečná den Einzug ins Europaparlament bedeuten. Noch steiler geht die Kurve bei Přísaha-Motoristé in die Höhe. Während sie im Dezember noch gar nicht gelistet waren, erreichten sie im April 6% und hätten ebenfalls ein Mandat in Straßburg.
Dezember 2023 | April 2024 | |
ANO | 33,8% | 27,5% |
Spolu | 15% | 20% |
STAN/SLK | 7,3% | 10,4% |
SPD/Trikolóra | 14,7% | 10,4% |
Piraten | 11,4% | 10,1% |
Stačilo! | 5,4% | 6,7% |
Přísaha/Motoristé | - | 6% |
Socdem | 3,6% | 3,4% |
Svobodní | 2,9% | 2,5% |
Zelení (Grüne) | - | 0,9% |
Quelle: STEM/MARK
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