Der Dekan der Volkswirtschaftlichen Fakultät der Prager Wirtschaftsuniversität (VŠE), Miroslav Ševčík, wurde nach seiner Teilnahme an der Anti-Regierungs-Kundgebung vom 11. März vom Rektor seiner Universität zum Rücktritt aufgefordert. Bilder zeigten den Dekan inmitten jener Demonstranten, die in das Nationalmuseum auf dem Wenzelsplatz gewaltsam eindringen wollten, um eine an der Fassade angebrachte ukrainische Flagge zu entfernen. Der Akademische Senat seiner Fakultät hat Ševčík am 30. März entlastet, sein Verhalten würde eine Entlassung nicht rechtfertigen.
Dekan Miroslav Ševčík
Bild: VŠE
Der Akademische Senat der Fakultät für Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität in Prag hat sich diese Woche für ihren Dekan Miroslav Ševčík eingesetzt, den Rektor Petr Dvořák wegen unangemessenen Verhaltens in der Öffentlichkeit entlassen will. Der Senat hat eine Resolution verabschiedet, in der er erklärt, dass er mit dem Verhalten des Dekans nicht einverstanden ist, aber die zuvor genannten Gründe für seine Entlassung nicht ausreichen. Dies berichtete der Server Seznam Zprávy.
Im Internet wurde die Entschließung des Fakultätssenats veröffentlicht, für die sechs Mitglieder stimmten, zwei waren dagegen und eines enthielt sich. Die Mitglieder des Senats erklärten zwar, dass die Interpretation der Ereignisse, die nach dem Ende der regierungskritischen Demonstration am 11. März auf dem Wenzelsplatz stattfanden, durch die Medien nicht zur Wahrung des Ansehens der Wirtschaftsuniversität beigetragen hat. Sie halten das Verhalten des Dekans jedoch für menschlich korrekt und verständlich. Mehrere hundert Menschen versuchten, in das Gebäude des Nationalmuseums einzudringen und die ukrainische Flagge herunterzureißen. Ševčík, der an dem Vorfall beteiligt war, behauptete dazu jedoch, er habe nur den Verletzten geholfen.
Am Montag, den 13. März, forderte Rektor Dvořák den Dekan, weil er bei den regierungsfeindlichen Demonstrationen aufgetreten ist, zurückzutreten. Ševčík sagte damals, er sehe dafür keinen Grund. Nach einer Sitzung der VŠE-Leitung teilte Dvořák daraufhin mit, dass er eine Entlassung durch den Akademischen Senat der Fakultät für Volkswirtschaft für die angemessenste Lösung halte, da Ševčík nicht von selbst zurücktrete. Sollte ihn der Fakultätssenat nicht entlassen, beabsichtigt Dvořák, von seiner Befugnis Gebrauch zu machen, seine Entlassung vorzuschlagen. Dazu bräuchte er allerdings die Zustimmung des Akademischen Senats der gesamten Universität.
"Daraus lässt sich ableiten, dass für den Rektor nur eine Position akzeptabel ist, nämlich die Absetzung des Dekans, und somit das Wesen, der Sinn und Zweck jeglicher akademischer Diskussion vom Rektor faktisch im Voraus ausgeschlossen wird. Der Akademische Senat hat in dieser Situation keine Möglichkeit, den Rektor an der Ausführung seiner vorgefassten exekutiven Absicht zu hindern. Er ist jedoch nicht damit einverstanden", heißt es in der Resolution.
Daniel Váňa, Pressesprecher der Fakultät, sagte am Mittwoch, dass die Sitzung des Fakultätssenats, in der die Entlassung von Dekan Ševčík diskutiert werden soll, am Mittwoch, den 5. April, stattfinden wird. Věra Koukalová, Sprecherin der Wirtschaftsfakultät, sagte zuvor, dass die Sitzung des universitätsweiten akademischen Senats in Abhängigkeit vom Ergebnis der Sitzung des Senats der Wirtschaftsfakultät einberufen werde.
Miroslav Ševčík hat in der tschechischen Bevölkerung nicht nur seit dem Nachspiel der Demonstration vom 11. März einen hohen Bekanntheitsgrad. Der heute 64jöhrige, aus Zlín stammende Ökonom war vor der Wende Mitglied der Kommunistischen Partei (KSČ). 1989 war er Mitbegründer des Liberalen Instituts, ein ökonomischer Think Tank mit Sitz in Prag, dem er später als Direktor vorstand. 2013 wurde er von der Leitung abgewählt und aus der Organisation ausgeschlossen. Ševčík akzeptierte diese Entscheidung nicht und ging vor Gericht.
Im Jahr 2015 bestätigte das Bezirksgericht Prag 1 zunächst, dass seine Entlassung als Vorstandsvorsitzender des Liberalen Instituts rechtens war. Ševčík ging in Berufung. Der Oberste Gerichtshof der Tschechischen Republik hob die Entscheidung am 30. Mai 2018 auf, und anschließend bestätigte das Bezirksgericht Prag 1 am 4. September 2019, dass seine Entlassung ungültig war. Die Gültigkeit der Berufung wurde am 9. Juli 2020 auch vom Stadtgericht in Prag bestätigt.
Von 2010 bis 2018 und seit 2022 ist Ševčík Dekan der Volkswirtschaftlichen Universität der Wirtschaftsuniversität Prag.
Im Jahr 2019 begann er mit der EU-kritischen Trikolóra-Bewegung von Václav Klaus jr. zusammenzuarbeiten. Am 3. September 2022 sprach er auf der Demonstration "Tschechische Republik zuerst!" auf dem Wenzelsplatz in Prag. In seiner Rede bezeichnete er Premierminister Petr Fiala (ODS) als "Schwachkopf" und "Lakai der Brüsseler Bürokraten". Laut Ševčík musste sich Fiala im Europäischen Parlament "wie ein kleiner Stinker die Tiraden des EU-Parlamentariers Guy Verhofstadt anhören", während er "ihm für seine unverschämten Reden zumindest eine Ohrfeige verpasst hätte". Rektor Dvořák distanzierte sich damals im Namen der VŠE von Ševčíks Rede. Er bezeichnete die Form und die persönlichen Angriffe auf den Premierminister als inakzeptabel.
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