Der Rückschlag bei der Europawahl verursachte in einigen Regierungsparteien zahlreiche Kontroversen und Auseinandersetzungen. Vor allem die Piratenpartei und die Christdemokraten (KDU-ČSL) sind damit konfrontiert. Den Auftakt zu einer breiteren Debatte über das Wahldebakel wird  eine parteiinterne Sitzung der Piraten machen. Im Vergleich zur letzten EU-Wahl hat die Partei von Ivan Bartoš mehr als die Hälfte ihrer Wähler verloren. Auch die christdemokratische Basis ist sehr unzufrieden und hat Parteichef Marian Jurečka wiederholt kritisiert. Ein weiteres Scheitern bei den Regional- und Senatswahlen im September würde ihn wohl sein Amt kosten.

Parteiinterne Kritik: KDU-ČSL-Chef Marian Jurečka

_{Bild: Facebook/KDU-ČSL}

Die Piraten warten auf die Rückkehr ihres Vorsitzenden Ivan Bartoš von einer Dienstreise aus den Vereinigten Staaten, wohin er als Minister für regionale Entwicklung mit einer Delegation von vierzig tschechischen Geschäftsleuten geflogen ist. "Wir müssen ein klares Signal aussenden, dass wir in der Lage sind, unsere internen Abläufe zu reformieren", sagte Zdeněk Hřib, der stellvertretende Prager Bürgermeister aus den Reihen der Piraten, der eine parteiinterne Versammlung vorgeschlagen hat. Die Initiative wurde bereits von der erforderlichen Anzahl von Mitgliedern des Gremiums unterstützt, darunter Außenminister Jan Lipavský und die stellvertretende Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Olga Richterová.

Die Europaabgeordnete Markéta Gregorová, die als einzige Kandidatin der Piraten ihren Sitz im Europäischen Parlament verteidigt hat, ist überzeugt, dass das Wahldebakel gründlich aufgearbeitet werden muss. Gregorová kandidierte am Parteitag im Januar gegen Bartoš um den Vorsitz. "Ich persönlich glaube, dass wir interne Veränderungen vornehmen müssen, nicht auf der Ebene des Vorsitzenden, sondern interne Reformen", erklärte sie. Nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse sagte Bartoš, er warte auf die Analyse detaillierterer statistischer Daten. "Demnächst werden Regional- und Senatswahlen stattfinden, die auf den Ergebnissen dieser Europawahlen basieren werden", betonte er.

Experten sagen, dass die Piraten Gefahr laufen, sich zu spalten. "Ein Teil des linken Flügels der Partei könnte Ondřej Dostál zu "Stačilo! (Es reicht!)" folgen, meinte der politische Analyst Miroslav Mareš. Dostál war bis 2022 hochrangiges Mitglied der Piraten. Bei der Europawahl trat es für das von der KSČM angeführte Linksbündnis "Stačilo!" an und errang ein Mandat in Straßburg. Lubomír Kopeček von der Brünner Masarykuniversität erwartete, dass die einberufene Sitzung der Piraten eine große interne Debatte auslösen wird. "Der Streit über die Beteiligung der Piraten an der Regierung wird wahrscheinlich wieder aufleben", prognostiziert er.

Luft für KDU-ČSL-Chef Jurečka wird immer dünner

Die Situation in der KDU-ČSL ist ebenfalls angespannt, wenngleich sie etwas klarer ist, weil sie insbesondere Parteichef Jurečka betrifft. Seit letztem Jahr sinkt der Rückhalt der Partei bei den Wählern dramatisch, in Umfragen liegt sie unter der Fünf-Prozent-Hürde. Dies war einer der Hauptgründe, warum der derzeitige Vorsitzende Anfang des Jahres um das Vertrauen bitten musste. Außerdem versprach er damals, dass er im Falle eines Scheiterns bei den Europawahlen seinen Rücktritt bekannt geben würde.

Anfang dieser Woche hatte Jurečka in einem Brief an seine Parteifreunde erklärt, er wolle in Ruhe über Schritte zur Übernahme persönlicher Verantwortung nachdenken und die Angelegenheit mit anderen Mitgliedern der Führung besprechen. Er betrachtet den Gewinn eines Mandats nicht als Erfolg und ist sich bewusst, dass er eine der Bedingungen, die er sich selbst vor dem Wahlkongress im Herbst gestellt hatte, nicht erfüllt hat. Die anderen Bedingungen ergeben sich aus den Wahlen im September. Diese sind der Gewinn von mindestens einem Hejtmansposten bei den Regionalwahlen und die Stärkung der Senatsfraktion.

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