Am Donnerstag, den 25. Juli, erhielt das Regierungsbüro ein Schreiben der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, in dem sie um die Nominierung von zwei Kandidaten für das Amt des EU-Kommissars bat. Das Kabinett von Petr Fiala (ODS) beharrt jedoch weiterhin auf der alleinigen Nominierung des amtierenden Industrie- und Handelsministers Jozef Síkela. Die Regierung argumentiert, dass bisher alle EU-Länder, die bereits eine Entscheidung getroffen haben, nur eine Person nominiert haben.
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Nach Angaben des Regierungsbüros bedankte sich von der Leyen im Brief für ihre Wahl zu einer weiteren Amtszeit an der Spitze der Kommission. Darin heißt es unter anderem, die Union müsse sich auf Wohlstand und mehr Sicherheit konzentrieren. "Das Schreiben enthält auch die Aufforderung, bis zum 30. August für jedes Land zwei Namen von Kandidaten für das Amt des EU-Kommissars zu übermitteln. Die tschechische Regierung hat sich gestern in voller Übereinstimmung mit den geltenden Verträgen für die Nominierung von Minister Síkela entschieden. Das Kabinett von Ursula von der Leyen wurde darüber unmittelbar bei der Kabinettssitzung informiert. Bis heute haben 11 von 27 Ländern ihren Vorschlag eingebracht, und in allen Fällen wurde nur ein Kandidat nominiert“, teilte die Regierung im sozialen Netzwerk X mit.
Die mitregierende Bürgermeisterbewegung STAN wollte zwei Kandidaten aufstellen, die zweite Kandidatin wäre die Europaabgeordnete aus ihren Reihen, Danuše Nerudová, gewesen, jedoch die Koalitionspartner überstimmten die Bürgermeisterbewegung und einigten sich auf Síkela, der, zwar parteifrei, von der STAN in die Regierung geholt worden ist.
Síkela sagte, die Tschechische Republik habe sich in den letzten Jahren die Position eines vertrauenswürdigen, konstruktiven Partners in Europa erarbeitet. Nun gelte es, in der künftigen Zusammensetzung der Europäischen Kommission ein angemessenes Portfolio zugunsten der Tschechischen Republik zu erwerben. "Es ist eine große Ehre für mich, dass meine Regierungskollegen heute einstimmig beschlossen haben, dass ich der richtige Kandidat für diese wichtige Aufgabe bin. Ich danke ihnen für ihr Vertrauen und werde mein Bestes geben, um diese Chance bestmöglich zu nutzen", postete Síkela im X-Netzwerk.
Auch der erste tschechische Europaminister und nunmehrige Europaabgeordnete Alexandr Vondra (ODS) begrüßte die Nominierung Síkelas. "Die Regierung hat die richtige Entscheidung getroffen, einen Kandidaten für Brüssel zu nominieren und nicht einen Fächer von Optionen, aus denen andere für uns wählen würden. Es ist unsere Wahl, und Jozef Síkela hat die Erfahrung und die Managementfähigkeiten, um der Tschechischen Republik endlich ein Wirtschaftsressort zu geben“, meinte Vondra auf X.
Der ehemalige tschechische EU-Kommissar Pavel Telička (Hlas) sagte gegenüber Echo24, Síkeals Vorteil sei seine Erfahrung aus der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft. „Er hat auch in der Privatwirtschaft gearbeitet. Die EU-Kommissionspräsidentin kennt ihn, was ebenfalls ein Vorteil sein kann“, sagte Telička. Er kenne Síkela nicht persönlich und könne daher seine Ansichten und sein Interesse an wichtigen EU-Themen sowie seine Kommunikationsfähigkeiten nicht beurteilen.
Andrej Babiš, Vorsitzender der oppositionellen ANO-Bewegung, erklärte gegenüber dem Nachrichtenserver Echo24.cz, dass es nicht darauf ankomme, was er von der Nominierung Síkelas halte, sondern was die Präsidentin der Europäischen Kommission dazu sage. "Der Premier spricht viel über ein starkes Wirtschaftsressort, und ich bin wirklich sehr gespannt, was er für Herrn Síkela aushandeln wird. Ich hoffe, es wird mindestens so gut sein wie die Vizepräsidentschaft, die ich für Věra Jourová im Jahr 2019 ausgehandelt habe“, erinnerte Ex-Premier Babiš an die scheidende EU-Kommissarin, der in der auslaufenden Amtszeit für die Werte und die Transparenz der EU zuständig ist. Jourova hat gleichzeitig mit dem Eintritt der ANO-Bewegung in die neu gegründete Rechtsfraktion Patrioten für Europa (PfE) ihre ANO-Mitgliedschaft abgelegt.
Tomáš Weiss, Experte für europäische Politik an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Karlsuniversität, erklärte gegenüber Echo24.cz, dass die Gründungsverträge nichts über zwei Namen aussagen und es daher völlig in Ordnung ist, wenn die Tschechische Republik nur eine Person nominiert. "Von der Leyen wird sicherlich versuchen, eine geschlechterparitätische Kommission zu bilden. Andererseits hat die Tschechische Republik für die letzten beiden Kommissionen eine Frau nominiert, und es wäre schwierig, von uns zu verlangen, jetzt eine Frau zu haben, weil die Geschlechterparität gilt", sagte Weiss.
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