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31 Aug
Traditionsblatt "Lidové noviny" erschien zum letzten Mal als Printausgabe

Die zum Agrofert-Konzern gehörige Mafra-Gruppe hat die Herausgabe der Lidové noviny (LN) in gedruckter Form mit Ende August eingestellt. Die Online-Ausgabe der "Lidovky" bleibt bestehen und werde inhaltlich erweitert, insbesondere um Meinungsbeiträge. Die Samstagsbeilage der LN, die Orientierung (Orientace), ist ab September Teil der Tageszeitung Mladá fronta Dnes. Der Verlag beschloss die Einstellung der LN bereits im Juli und erklärte dazu, dass die Maßnahme "aufgrund der Marktentwicklung" vorgenommen werde.

Erstausgabe der Lidové noviny vom 16.12.1893

Bild: Wikipedie

Die Einstellung der Printausgabe sei auf die Entwicklung der modernen Technologien, der Papier- und Vertriebskosten zurückzuführen, so Mafra. "Unser Ziel ist es, die Marke Lidové noviny in einer modernen Form zu erhalten", fügte der Verlag hinzu. Er führe Gespräche mit den Mitarbeitern über deren Zukunft, hieß es in der Erklärung. Insbesondere die Kommentatoren und Redakteure der Orientierungsbeilage würden bleiben, so der Herausgeber. Jedoch: "Leider müssen wir das Arbeitsverhältnis mit einigen Mitarbeitern beenden", informierte Mafra. Nach Angaben des Nachrichtenservers e15 werden rund 40 Personen durch die Einstellung der Tageszeitung ihren Arbeitsplatz verlieren.

Das Unternehmen wird nun den LN-Abonnenten die Tageszeitung Mladá fronta Dnes ohne Preisänderungen anbieten, sowie den Zugang zu den kostenpflichtigen Online-Inhalten iDNES Premium für eine Krone (4 Cent) bis Ende dieses Jahres. Der Mafra-Verlag möchte "den Meinungsinhalt der LN-Onlineausgabe stärken". "Internen Umfragen zufolge bevorzugen die Leser der Internet-Tageszeitung lidovky.cz Kommentare und Glossen, die in der Geschichte der Lidové noviny eine bedeutende Tradition haben", begründet das Unternehmen seinen Schritt.

Traditionsblatt und Symbol der tschechoslowakischen Staatlichkeit

Die erste Ausgabe der LN wurde am 16. Dezember 1893 in Brünn veröffentlicht. Die wohl berühmteste Ära dieser Zeitschrift war die Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik, als zu ihren Herausgebern bekannte tschechische Schriftsteller gehörten, darunter Karel und Josef Čapek und Eduard Bass, der später ihr Chefredakteur war. Im Jahr 1989 wurden die wiederbelebten Lidové noviny zu einem der Symbole der Samtenen Revolution.

Der Rechtsanwalt und Journalist Adolf Stránský, der später der erste Handelsminister der unabhängigen Tschechoslowakischen Republik wurde, war der Gründer der Lidové noviny. Im Jahr 1920 eröffneten die LN eine Zweigstelle in Prag und später in anderen tschechischen Städten. Es begann auch mit dem Versand von Ausgaben ins Ausland. 1924 wurde Ferdinand Peroutka Chefredakteur der Zeitung und war es auch nach dem Krieg, als sie drei Jahre lang als "Svobodné noviny" erschienen, ihr Chefredakteur. Im Jahr 1952 stellte das kommunistische Regime jedoch die Herausgabe der Zeitung ein.

Die Tradition der "Lidovky" wurde von den Unterzeichnern der Charta 77 im September 1987 wieder aufgenommen, als die Nullnummer im Samisdat veröffentlicht wurde. Die erste reguläre Ausgabe, ebenfalls im Samisdat, wurde im Januar 1988 unter der Leitung von Jiří Ruml veröffentlicht. Im Dezember 1989 wurde LN wieder legal veröffentlicht, zunächst zweimal wöchentlich, und ab April 1990 als Tageszeitung.

Die Zeitung hat mehrmals den Besitzer gewechselt und gehört derzeit zusammen mit Mladá fronta Dnes zur Mafra-Gruppe, die 2013 von dem Geschäftsmann und Politiker Andrej Babiš (ANO) übernommen wurde. Im vergangenen September kündigte die Kaprain-Investmentgruppe des Unternehmers Karel Pražák den Kauf von Mafra an.


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