Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am 6. Juli zu einem Blitzbesuch in Prag eingetroffen. Selenskyj, der sich tagsüber in Sofia auf Staatsbesuch in Bulgarien befand, und am nächsten Tag in der Türkei eintreffen sollte, wurde von der tschechischen Regierungsmaschine, begleitet von zwei Gripen-Abfangjägern, nach Prag geflogen. Auf dem Hradschin standen Gespräche mit Staatspräsident Petr Pavel, Premier Petr Fiala und den Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern, Markéta Pekarová Adamová (TOP'09) und Miloš Vystrčil (ODS) an. Die Themen: der anstehende NATO-Gipfel in Vilnius, die europäische und euro-atlantische Integration der Ukraine, die Situation im Kernkraftwerk Saporischschja und der Wiederaufbau des Landes.
Die Präsidenten Pavel und Selenskyj auf der Prager Burg
Bild: Facebook/Володимир Зеленський
"Es ist bewundernswert, mit welcher Entschlossenheit und mit welchem Willen sich die Ukraine gegen die anfänglich großen Widerstände verteidigt", sagte Pavel nach dem Gespräch mit Selenskyj vor der internationalen Presse. Er sagte weiters, die Ukraine könne weiterhin auf die tschechische Unterstützung zählen. Die Regierung, aber auch Privatunternehmen und Bürger haben 45 Milliarden CZK (1,88 Mrd. Euro) für das Land bereitgestellt, sagte er. Pavel zufolge hat die Tschechische Republik 676 Stück schweres Gerät und Luftabwehr, 4,2 Millionen Stück mittel- und großkalibrige Munition und 380.000 Stück Artilleriemunition bereitgestellt. "Ich sehe keine andere Lösung des Konflikts als einen ukrainischen Erfolg. Wenn Russland Erfolg hat, werden die Grundlagen der Gesellschaft, in der wir leben, erheblich erschüttert", betonte er.
Selenskyj sagte, die Tschechische Republik sei wichtig in der Frage der Militärhilfe für die Ukraine, bei der Lieferung von Waffen, bei der Unterstützung der Sanktionspolitik gegen Russland, aber auch bei der Unterstützung des Beitritts der Ukraine zur Europäischen Union und zur NATO. Er würdigte auch die Tatsache, dass die Tschechische Republik Hunderttausende von Flüchtlingen aufgenommen hat. "Wir träumen von dem Tag, an dem wir in der Lage sein werden, die Sicherheit für alle Menschen zu garantieren und die Ukrainer in ihr Land zurückkehren können", sagte er.
Der Besuch Selenskyjs in Prag wurde bis zuletzt geheim gehalten. Nach Angaben des Regierungssprechers Václav Smolka hob das Sonderflugzeug der tschechischen Regierung mit Zelensky um 18:21 Uhr in Sofia ab. Die Maschine landete um 19.54 Uhr auf dem Prager Václav Havel-Flughafen. In Bulgarien führte der ukrainische Präsident Gespräche mit seinem Amtskollegen Rumen Radew und Premierminister Nikolai Denkow. Erst am Nachmittag bestätigte Smolka die bevorstehendes Treffen Selenskyjs mit dem tschechischen Präsidenten Pavel und Premier Fiala.
"Der Besuch des ukrainischen Präsidenten soll die Wertschätzung für die Unterstützung zum Ausdruck bringen, die die Tschechische Republik der Ukraine seit Beginn der russischen Aggression gewährt hat, und die gegenseitige Zusicherung bringen, dass diese Unterstützung fortgesetzt wird", so Präsident Pavels Sprecherin Markéta Řeháková in einer Pressemitteilung. "Es wird erwartet, dass die Präsidenten bei dem persönlichen Treffen ihre Positionen im Vorfeld des NATO-Gipfels in Vilnius abstimmen, wo unter anderem Diskussionen über Sicherheitsgarantien für die Ukraine erwartet werden", fügte sie hinzu.
Das Gelände der Prager Burg, einschließlich ihrer Gärten und Besuchereinrichtungen, wurde am Donnerstag ab 15 Uhr für die Öffentlichkeit gesperrt. Akkreditierte Journalisten mussten sich einer gründlichen Sicherheitskontrolle unterziehen. Die Burg wird am Freitag wieder geöffnet.
Reaktionen der Opposition auf den Selenskyj-Besuch lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
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