Der tschechische Außenminister Jan Lipavský (Piraten) war am 7. November in der Diplomatischen Akademie Wien zu Gast, um über die Sicherheitsstrategie der Tschechischen Republik zu referieren. Er warb dabei für eine EU- und NATO-Erweiterung inklusive der Ukraine. Die Erweiterung sei für die Sicherheit in Europa von hoher Bedeutung, meinte er. Lipavský traf danach mit seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg zusammen. Beide Minister unterstützten Israel bei dessen militärischen Vorgehen gegen die Hamas im Gaza-Streifen. Ebenfalls wurde über die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder und über die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene diskutiert.
Die beiden Außenminister Alexander Schallenberg und Jan Lipavský in Wien
Bild: X/Alexander Schallenberg
Russlands Imperialismus werde noch auf Jahrzehnte eine Bedrohung für die Souveränität der Tschechischen Republik darstellen, sagte Lipavský in seiner Rede an der Diplomatischen Akademie. Das Nordatlantikbündnis sei ein wesentlicher Garant für den Schutz nicht nur für sein Land, sondern für Europa. Daher befürworte er die Vision einer Erweiterung von EU und NATO, ergänzte der tschechische Außenminister.
Krieg in der Ukraine, Krieg im Nahen Osten, Spannungen zwischen Kosovo und Serbien. Die EU sei zur Zeit von einem "Ring von Feuer" umgeben, meinte Alexander Schallenberg in einem Statement nach dem bilateralen Treffen mit seinem tschechischen Amtskollegen. Europa müsse darauf mit einem "Ring der Stabilität" entgegenwirken, ergänzte er. Gemeinsam mit Jan Lipavský plädierte er für eine politische Weichenstellung in Richtung EU-Erweiterung um die Ukraine und die Republik Moldau, was die EU-Kommission mit ihrer Empfehlung zur Eröffnung der Beitrittsverhandlungen im Laufe des Tages auch umgesetzt hat.
Schallenberg freute sich über die weitgehende Einigkeit zwischen ihm und seinem tschechischen Kollegen. "In diesen Zeiten der Krise sind Österreich und Tschechien wahre Freunde und Partner. Wir wissen, dass wir aufeinander zählen können", sagte der Gastgeber.
Ein weiteres Thema in Wien war der Umgang mit der illegalen Migration. "Wir müssen aktiv daran arbeiten, dieses Problem als solches anzugehen. Unsere beiden Länder haben in dieser Hinsicht viele gemeinsame Ansichten, und darüber bin ich sehr froh", meinte Lipavský. Seit Oktober haben die Länder Mitteleuropas Grenzkontrollen verordnet. Österreich kontrolliert einseitig die Grenze zu Tschechien offiziell noch bis zum 17. November, mit hoher Wahrscheinlichkeit wird aber eine Verlängerung dieser Maßnahme erfolgen.
Das große Streitthema zwischen Wien und Prag, nämlich die Atomkraft, wurde angesichts der Energiekrise großteils ausgespart. Auch die Problematik rund um die Beneš-Dekrete ist aus Sicht der beiden Politiker nicht mehr so gravierend. "Noch vor einigen Jahren - und das ist gar nicht so lange her - war jede Reise eines österreichischen Ministers nach Prag ein Hindernisparcours. Man musste zwischen heiklen Themen hindurchnavigieren, etwa wegen der unterschiedlichen Wahrnehmung der Geschichte. Donnerwetter, wie sich das geändert hat!", sagte Schallenberg.
Lipavský verwies auf die verschiedenen politischen Plattformen wie das Slavkov- bzw. Austerlitz-Format (AT/CZ/SK) und die "Central Five" (AT/CZ/SK/HU/SI), in denen der nachbarschaftliche Austausch gut funktioniere. Besonders wenn es zwischen Nachbarn unterschiedliche Auffassungen gebe, was jetzt in der Visegrád-Gruppe (CZ/SK/PL/HU) der Fall ist, sei der regionale Austausch wichtig, betonte der tschechische Außenminister. Neben Ungarn hat nun auch die Slowakei unter der Regierung von Robert Fico einen konträren Zugang zur Ukraine-Politik.
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