Tschechische Landwirte haben sich am 22. Februar den Protesten der mittel- und osteuropäischen Länder angeschlossen. Sie zogen mit ihren Traktoren in die großen Städte und an die Grenzen zur Slowakei, Polen und Deutschland, um gegen die Agrarpolitik der Europäischen Union zu protestieren. Sie erklärten sich besonders besorgt über die Bedingungen des so genannten "Green Deal" oder den Import von Produkten aus dem Ausland. Nach Angaben der Agrarkammer der Tschechischen Republik (AK ČR) fuhren etwa dreitausend landwirtschaftliche Fahrzeuge an die Grenze.
Grenzblockade am 22. Februar am Grenzübergang Hodonín/Holič zur Slowakei
Bild: Facebook/Hodonín ve fotografii/Zdeněk Hanko
Der Protest, der von Hunderten von Polizeibeamten überwacht wurde, begann um 10:00 Uhr und dauerte etwa zwei Stunden. Nach Angaben der AK ČR wurden die größten Proteste aus der Region Olmütz gemeldet, von wo aus sich etwa fünfhundert landwirtschaftliche Fahrzeuge in Bewegung setzten. Es folgten die Regionen Vysočina (Hochland) und Mittelböhmen mit etwa. 320 Maschinen. Am Morgen sorgten die Traktoren vor allem am tschecho-slowakischen Grenzübergang in Hodonín (Göding) für Verkehrsbehinderungen, wo die Landwirte bereits vor dem angekündigten Beginn der Protestaktion den Verkehr anhielten. Während der Blockade leiteten Polizeibeamte den Verkehr von der tschechischen aus über eine Ausweichstrecke um.
Der Grenzübergang Hora Svatého Šebastiána / Sankt Sebastiansberg im Bezirk Chomutov / Komotau, wo etwa 100 Maschinen aus der Tschechischen Republik eintrafen, wurde ebenfalls für etwa eine halbe Stunde teilweise blockiert. Tschechische und deutsche Landwirte überreichten sich dort gegenseitig Geschenke. Tschechische und polnische Landwirte blockierten gemeinsam auch teilweise den Grenzübergang Chotěbuz / Kotzobendz im Bezirk Karviná / Karwin. Achtzig landwirtschaftliche Maschinen waren auf der Straße geparkt. Sie brachten den Verkehr jedoch nicht vollständig zum Erliegen, eine Fahrspur in Richtung Polen blieb in Betrieb.
Auftakt der Proteste in Prag
Am Montag, dem 19. Februar starteten auch in Tschechien nach dem Vorbild von Deutschland und Frankreich mit einem "Marsch der Traktoren" in die Hauptstadt Prag. Die Bauern deponierten vor dem Landwirtschaftsministerium ihre Forderungen. Die Proteste richteten sich nicht nur gegen die Landwirtschaftspolitik der EU und der tschechischen Regierung, die Kritik traf auch die Spitzen der Agrarkammer.
"Wir kämpfen für nationale Energie, heimische Lebensmittel und landwirtschaftliche Produktion in eigener Hand. Wir kämpfen für die Zukunft. Wir kämpfen dafür, dass unser Land ein guter Ort zum Leben und Arbeiten ist. Wir kämpfen für die Zukunft unserer Kinder und unseres Landes. Wir sind nicht gegen die Bauernverbände, aber die Passivität ihrer Führung zwingt uns dazu, die Situation selbst in die Hand zu nehmen. Wir sind nicht Mitglied einer politischen Partei und stellen uns nicht zur Wahl. Aber wir sind nicht gleichgültig gegenüber der Art und Weise, wie diese Regierung die Grundlagen des Landes zerstört, das unsere Vorväter teuer und unter großen Schwierigkeiten aufgebaut haben. Nehmen wir die Zerstörung von Industrie und Landwirtschaft durch den Green Deal nicht hin! Lassen wir uns von unseren Kollegen in den Nachbarländern inspirieren. Gehen wir gemeinsam dorthin, wo unser Protest am sichtbarsten sein wird!", forderte die Protestplattform "My zemědělci (Wir Landwirte).
Vor dem Ministerium kam es zu Rücktrittsforderungen an Landwirtschaftsminister Marek Výborný (KDU-ČSL) und an die gesamte Regierung von Premier Petr Fiala (ODS). Anschließend zug der Protestkorso über die Magistrale, der Verkehrsschlagader der Millionenmetropole, und hielt auf dem Kleinseiter Ring die Abschlusskundgebung ab.
Výborný reagierte auf den Bauernprotest mit einem Angebot. Er erwägt die Abschaffung der Steuer auf Subventionen für die tschechische Landwirtschaft. Die Steuer sei eine Ausnahme in der Europäischen Union und werde nur in der Tschechischen Republik und der Slowakei angewandt, sagte er. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden der größten Oppositionspartei ANO, Karel Havlíček, würde auch seine Bewegung die Befreiung der Agrarsubventionen von der Steuer unterstützen. Dies sagten die beiden Politiker im Fernsehsender Prima TV.
Výborný und Havlíček stimmten darin überein, dass derzeit vor allem mittelgroße landwirtschaftliche Betriebe mit Problemen zu kämpfen haben. Havlíček warnte, dass bei der derzeitigen Entwicklung mittelständische Landwirte von großen Unternehmen aufgekauft werden könnten und das gesamte Segment aus dem tschechischen Agrarsektor verschwinden könnte. Neben der möglichen Abschaffung der Besteuerung von Subventionen erwägt Výborný, die Beschäftigung im ländlichen Raum zu fördern, zum Beispiel durch eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Eine weitere Möglichkeit sei eine Neuordnung der Förderung aus europäischen Quellen.
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