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27 Aug
Tschechien droht Baukollaps. Fehlplanung bei Digitalisierung sorgt für Panik

"Rien ne va plus". Das sind nicht etwa Worte eines Croupiers im Casino, nein, das ist die Aussage, die im Moment in der tschechischen Baubranche in aller Munde ist, sowohl bei den Beamten, als auch bei den Unternehmern. Ausgerechnet die Piraten-Partei, die eigentlich für den IT-Fortschritt steht, blamiert sich bei der Umstellung bis auf die Knochen. Statt das System abzutesten, werden seit 1. Juli die Betroffenen als Versuchskaninchen missbraucht. Streikdrohungen und Kündigungen bei den Beamten sowie Panik bei den Unternehmern sind die Folge, abgesehen von dem täglichen finanziellen Schaden, der durch die Missplanung entstand und nach wie vor entsteht.

Minister für regionale Entwicklung und Digitalisierung:  Ivan Bartoš

Bild: w:cs:Česká pirátská strana - CC BY-SA 2.0

Die  Gemeinden und Bauunternehmer fordern die Rückkehr zu den ursprünglichen Bauverwaltungssystemen. Sie sind der Meinung, dass die neuen Systeme immer noch nicht richtig funktionieren und nicht gewährleistet werden kann, dass die Beamten gesetzeskonform arbeiten können. Sie wollen eine gesetzliche Lösung finden, um die ursprünglichen Systeme im Einklang mit dem neuen Baugesetz zu bringen. Dies erklärten ihre Vertreter auf einer Pressekonferenz in Prag. Das Ministerium für regionale Entwicklung (MMR) hat eine Rückkehr zu den ursprünglichen Systemen bisher abgelehnt. Einige Experten verweisen auch auf die Langwierigkeit des Gesetzgebungsverfahrens für einen solchen Schritt.

Rechtliche Schritte vonseiten der Bauherren drohen

"Die nicht funktionierende Digitalisierung von Bauverfahren hat bei den Beschäftigten der Bauämter die Sorge geweckt, dass sie die Termine nicht einhalten können. Einige von ihnen erwägen, deswegen sogar zu kündigen, während andere als letzten Ausweg einen Streik in Erwägung ziehen würden", sagte Alena Gaňová, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der staatlichen Behörden und Organisationen (OSSOO) gegenüber der Nachrichtenagentur ČTK. Gaňová wies auch darauf hin, dass, falls die Beamten die Fristen für die Bearbeitung der Anträge nicht einhalten können, rechtliche Schritte seitens der Bauherren drohen. 

Ex-Minister Havlíček übt harsche Kritik an Bartoš

Der ehemalige Industrieminister Karel Havlíček (ANO) schießt scharf gegen den zuständigen Digitalisierungsminister Ivan Bartoš (Piraten). "Der Schaden liegt bei etwa 700 Millionen Kronen (28 Mio. Euro, Anm.) pro Tag. Dies ist ein digitales Attentat auf den gesamten öffentlichen Sektor. Es gab ein Versagen des Managements und der Fachleute. Wir haben den größten Zusammenbruch im System des öffentlichen Sektors.“

Und er erinnerte daran, dass die ANO-Bewegung in der Zeit, als Klára Dostálová  im Ministerium für regionale Entwicklung tätig war, das Baugesetz und zu einem großen Teil auch die Digitalisierung komplett vorbereitet hatte.

"Aber Sie haben sich etwas völlig Neues einfallen lassen als das, was bereits vorbereitet war, und haben es auf dümmliche Art und Weise wieder abgeändert. Sie haben die Kommentare von Experten und sogar des Präsidenten der Republik ignoriert. Sie haben das System ohne zu testen eingeführt", so Havlíček in Richtung Bartoš. Er fragte weiters, ob sich der Minister überhaupt bewusst war, dass das fehlerhafte System Subventionen, Bauvorhaben und Hypotheken massiv verzögere. "Wer wird für den Schaden verantwortlich sein?"

Weniger als 10 Prozent der Anträge bearbeitet
Nach den neuesten Informationen, die bei Václav Moravec (Moderator bei Česká televize) auftauchten, wurden seit dem 1. Juli dieses Jahres insgesamt 10.274 Anträge zur Bearbeitung gesendet, von denen bis heute nur etwas mehr als 900 Anträge bearbeitet wurden.

Nach Ansicht von Jan Holický, dem Vorsitzenden des Verbandes der Sekretäre der Städte und Gemeinden, ist das Gebäudemanagement-Informationssystem so dysfunktional, dass einige Dinge darin nicht erledigt werden können. Er sagte, dass die Möglichkeit, ausländische Personen zu identifizieren, immer noch nicht funktioniert, und Dateien nur über das Gerät eingesehen werden können, mit dem der Beamte angemeldet ist. "Das System weist eine Reihe von Undurchsichtigkeiten auf", so Holický.

Bartoš versucht die Reißleine zu ziehen, scheint aber bereits am Boden angekommen zu sein

Digitalisierungsminister Bartoš versucht zurzeit krampfhaft, sich mit Vertretern von Gemeinden, Bauherren und Planern zu arrangieren und ihnen das System trotz der Probleme schmackhaft zu machen, auch weil die Rücktrittsforderungen - sogar von den Koalitionspartnern - immer lauter werden.

Laut Jiří Nouza, dem Vorsitzenden des Verbandes der Bauunternehmer (SPS), ist das Problem nicht nur auf das schlecht funktionierende Bauherrenportal und das Baumanagement-Informationssystem zurückzuführen, sondern auch auf das nicht funktionierende Nationale Geoportal für Raumplanung. Ihm zufolge kann der Investor derzeit der Verpflichtung nicht nachkommen, die Durchführungsverträge mit den zuständigen Gemeinden in das Geoportal einzugeben. Somit können die gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren nicht eingehalten werden, was zu Rechtsunsicherheit führt. 


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