Der Weizenpreis an der Chicago Mercantile Exchange ist in den letzten Tagen gestiegen, was vor allem eine Reaktion auf die Aussetzung des Getreideabkommens vonseiten Russlands ist. Die tschechische Landwirtschaftskammer (AK ČR) geht davon aus, dass die Märkte mit weiteren Preissteigerungen reagieren werden. Die Landwirte können aber nicht davon profitieren, da immer mehr Getreide aus der Ukraine in der EU landet und den Preis drückt, wodurch Mittel- und Osteuropa am Rande eines Marktkollaps steht.
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Štěpán Hájek, Analyst bei der Investmentgesellschaft XTB, erklärte gegenüber der ČTK, die Chicago Mercantile Exchange reagierte mit einem Plus von mehr als drei Prozent auf 6,82 Dollar (145 Kronen) pro Scheffel (27,2 kg). Er wies darauf hin, dass der Weizenmarkt seit mehr als einem Jahr durch den Krieg beeinträchtigt wird - und das, obwohl die Ukraine der fünftgrößte Weizenexporteur der Welt ist. "Die weltweite Weizenversorgung ist einem großen Risiko ausgesetzt. Das liegt daran, dass die Exportlogistik nach wie vor teuer und anfällig ist, und die ukrainischen Landwirte gezwungen werden könnten, ihre Produktion weiter zu drosseln, was den ohnehin schon angespannten Markt noch weiter verengen würde. Die Situation wird sich in den kommenden Tagen sicherlich weiterentwickeln, sodass wir eine bessere Vorstellung vom tatsächlichen Weizenangebot haben werden", fügte er hinzu.
Nach Ansicht von Jan Doležal , Präsident AK ČR, wird die Ukraine durch die Abschaffung der Zölle auf Getreideeinfuhren allmählich zur Kornkammer Europas und nicht mehr zur Kornkammer der Welt. "Dies führt insbesondere in Mittel- und Osteuropa zu erheblichen Problemen, die an einen faktischen Zusammenbruch des Marktes grenzen, da der tatsächliche Realisierungspreis für die heimische Produktion weit unter dem an der Börse angebotenen Niveau liegt", erklärte er.
Tschechien sitzt auf 2 Mio. Tonnen Getreide aus dem Vorjahr. Zuwenig Lagerkapazität für die heurige Ernte
Er fügte hinzu, dass die Einschränkungen aufgrund der EU-Umweltauflagen in Verbindung mit den niedrigen Erzeugerpreisen in Mittel- und Osteuropa für die heimischen Landwirte zu einem existenziellen Problem führen könnten. Nach Angaben des Landwirtschaftsverbandes der Tschechischen Republik haben die Landwirte in Tschechien nur beschränkte Möglichkeiten die heurige Getreideernte zu lagern. Grund des Dilemmas ist laut Verband, dass aufgrund des Imports von billigem Weizen aus der Ukraine etwa zwei Millionen Tonnen der letztjährigen Ernte in Tschechien bisher nicht verkauft werden konnten.
Haben sich die Landwirte verspekuliert?
Landwirtschaftsminister Marek Výborný (KDU-ČSL) äußerte sich laut ČTK nicht besorgt über das Szenario. "Die Landwirte hielten einen Teil der Ernte in den Lagern und rechneten mit steigenden Preisen", sagte er letzte Woche. Tomáš Maier, Wirtschaftswissenschaftler an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Universität für Landwirtschaft (CZU) bestätigte die These des Výbornýs. Demnach haben die Landwirte sich selbst in diese Situation gebracht. "Sie hätten ihre Ernte im vergangenen Jahr leicht zu sehr hohen Preisen verkaufen können" erklärte Maier. Nach Angaben des Tschechischen Statistischen Amtes (ČSÚ) sank der Durchschnittspreis für Lebensmittelweizen im Mai auf 5.767 Kronen (243 Euro) pro Tonne, gegenüber 8.325 Kronen (351 Euro) vor einem Jahr.
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