Der reale Umsatz ist im Mai bei allen Warengruppen gegenüber dem Vorjahr gesunken. Die Tschechen sind im Vergleich zu anderen Europäern eher konservativ und reagieren schnell auf finanzielle Veränderungen. Sie neigen dazu, Geld auf die Seite zu legen. Der Umstand spiegelt sich in den Kassen der Einzelhändler wider. Einige Experten befürchten, dass der Sparboom eine Rezession einleiten könnte.
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Bild: Heureka
Die Umsätze in den Geschäften sind im Mai im Vergleich zum Vorjahr um fast sieben Prozent zurückgegangen, das ist der höchste Wert in der Europäischen Union. Einigen Bankenanalysten zufolge könnte dies der erste Hinweis darauf sein, dass die heimische Wirtschaft auf eine weitere Rezession zusteuert. Petr Gapko von der Moneta Money Bank spielte die Befürchtungen jedoch herunter und glaubt, dass viele Tschechen vielleicht nur den laufenden Konsum eingeschränkt haben, um über die Runden zu kommen.
Wie das Tschechische Statistikamt (ČSÚ) mitteilte, gaben die Menschen im Mai dieses Jahres im Einzelhandel zwar 8,1 Prozent mehr aus als vor einem Jahr. Allerdings wurden die Mehrausgaben von der Inflation aufgefressen, weil man für dass ausgegebene Geld weniger Waren bekam. "Die realen Umsätze sind im Mai im Vergleich zum Vorjahr in allen Warengruppen des Einzelhandels gesunken, mit Ausnahme von Pharmazeutika und Drogerien", sagte Jana Gotvaldová, Leiterin der Abteilung für Handelsstatistik.
Die Daten zeigen, dass in den letzten zwei Jahrzehnten die Handelsleistung nur nach der Ankündigung der Corona-Einschränkungen im März und April 2020 stärker zurückgegangen ist. "Die Ergebnisse stehen letztlich im Einklang mit der sehr negativen Stimmung der Bevölkerung, was das Haushaltsbudget betrifft, die sich auf dem niedrigsten Stand seit 1998 befindet", sagte Jakub Seidler, Analyst des tschechischen Bankenverbandes. David Vagenknecht von der Raiffeisen Bank ist überzeugt, dass in der Wirtschaft etwas im Argen liegt. Laut Petr Gapko, der oben zitiert wurde, ist die Bilanz des Einzelhandels ein Beweis dafür, dass die gesamte Wirtschaft gebremst ist.
Der im Mai in der Tschechischen Republik verzeichnete Rückgang gegenüber dem Vorjahr war der stärkste in der gesamten EU. Die Länder in Nordwesteuropa, einschließlich der Nachbarländer Deutschland und Österreich, kamen den negativen Ergebnissen am nächsten. In der EU insgesamt blieb der Einbruch der Einzelhandelsumsätze jedoch weitgehend aus, vor allem dank der massiven Ausgaben im Osten und Süden des Kontinents. Während die Tschechen auf die außergewöhnlichen Preissteigerungen reagierten, ließen sich die Menschen in den baltischen Staaten, in Polen und in Ungarn nicht von den höhere Preisen beeindrucken.
Stärkster Rückgang des Einzelhandelsumsatzes von Mai 2021 bis Mai 2022
Tschechien | -6,9% |
Österreich | -6,4% |
Dänemark | -5,6% |
Finnland | -5,2% |
Luxemburg | -5,2% |
Niederlande | -4,9% |
Deutschland | -3,6% |
EU-gesamt | +0,5% |
Der Jahresvergleich hat jedoch den Nachteil, dass die aktuellen Ausgaben mit denen des letzten Jahres verglichen werden, das noch von der Pandemie betroffen war. Einen besseren Überblick bietet ein Vergleich mit dem Jahr 2019, der auch zeigt, dass die tschechischen Verbraucher zu den vorsichtigsten in Europa gehören. Im Mai 2022 kauften sie nur um 1,3 Prozent mehr Waren als vor drei Jahren. Nur die Spanier, deren Wirtschaft am stärksten von der Pandemie betroffen war, waren sparsamer, während die slowenischen und polnischen Einzelhändler ihren realen Umsatz um mehr als ein Viertel steigern konnten.
Petr Dufek von der Banka Creditas erklärte den ungewöhnlichen tschechischen Trend. "Die Einzelhandelsumsätze normalisierten sich nach der Covid-Pandemie im Mai und Juni letzten Jahres, als IKEA und andere große Geschäfte wieder öffneten. Seitdem sind sie jedoch langsam zurückgegangen", sagte er. Das liegt vor allem an der konservativen Einstellung der Tschechen, die ihr Geld lieber auf die Seite legen, als es auszugeben. Gleichzeitig sind die Reallöhne nach dem Crash nicht schnell genug gestiegen, als dass die Haushalte ihre gewohnte Vorsicht hätten aufgeben können. Extreme Preiserhöhungen in einigen Sektoren schrecken ebenfalls von Käufen ab. Autos sind noch teurer geworden als andere Waren und tschechische Restaurants, Bekleidungs- und Schuhgeschäfte haben Europarekorde bei den Preissteigerungen aufgestellt.
Dufek zufolge lässt sich der etwas stärkere Rückgang im Mai dadurch erklären, dass sich der Kaufkraftrückgang in der Bevölkerung bereits bemerkbar gemacht hat. "Es ist klar, dass sie weiter sinken wird", prognostizierte er.