ANO, die größte Oppositionspartei, lehnt die geplante Ratifizierung der Istanbul-Konvention vehement ab. Das Dokument ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der im Jahr 2011 vom Europarat zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ausgearbeitet worden ist. 2013 ratifizierte Österreich dieses Abkommen, 2017 Deutschland und die Schweiz. Tschechien ist einer der letzten EU-Staaten, die noch nicht ratifiziert haben. Die ANO-Bewegung möchte, dass dies auch so bleibt. Sie stößt sich am Begriff "Gender" und möchte Gewalt gegen Frauen durch nationale Gesetze, und nicht mittels einer internationalen Konvention bekämpfen.
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"Durch die Istanbul-Konvention wird der Begriff 'Gender' in unserer Gesetzgebung wie Unkraut wuchern", meinte der stellvertretende ANO-Franktionsvorsitzende Patrik Nacher. "Ich habe von Anfang an gedacht, dass wir die Istanbul-Konvention nicht ratifizieren sollten, dass sie uns keinen Mehrwert bringt", ergänzte er. Er sieht Spielraum für Gesetzesänderungen, zum Beispiel in Form von härteren Strafen für schwere Straftaten, die auch ohne die Konvention möglich sind.
"Ich bin eindeutig für mehr Hilfe für Opfer sexueller Gewalt, sei es durch die Unterstützung von Krisenzentren, härtere Strafen für Täter und andere Maßnahmen. Die Istanbul-Konvention treibt die Geschlechterideologie voran, stellt Männer in die Rolle von Aggressoren und bietet im Allgemeinen nichts, was wir nicht selbst durch unsere eigenen gesetzlichen oder nichtgesetzlichen Regelungen ändern können", sagte Nacher in der Parlamentsdebatte.
Europaminister Martin Dvořák (STAN) konnte den Argumenten Nachers nichts abgewinnen und plädierte für die Ratifizierung der Konvention. Zum umstrittenen Begriff "Gender" meinte er: "Ich möchte darauf hinweisen, dass es etwa zwei Wochen her ist, dass die iranischen Ajatollahs den Gebrauch des Wortes 'Gender' im Iran offiziell verboten haben, und ich möchte nicht zu der Gruppe von Ländern gehören, die das Wort 'Gender' hassen", sagte der Minister. "Ich denke, unser Land gehört zum Westen, wo das Wort 'Gender' funktioniert und jeder versteht, was das Wort bedeutet", fügte er hinzu.
"Die Konvention hat eine reine Überwachungsfunktion, ich glaube wirklich, dass es in unserem Land etwas zu überwachen gibt. Ich möchte betonen, dass die Konvention sich nur zu einem Drittel der Kriminalisierung der Taten befasst, sie befasst sich viel mehr mit der Verpflichtung der einzelnen Unterzeichner, sich um die Prävention und vor allem um die traumatischen Opfer zu kümmern," verteidigte der Minister das Dokument.
Tschechien hat 2016, noch in der Amtszeit von Premier Bohuslav Sobotka (damals ČSSD), eine Absichtserklärung abgegeben, die Konvention zu unterzeichnen. In der Ära von Premier Andrej Babiš (ANO) kam es aber zu keinem Beschluss der beiden Parlamentskammern.
Die Istanbul-Konvention hat in den letzten Jahren in der Tschechischen Republik starke Emotionen hervorgerufen. Er wurde von den Konservativen und den sieben christlichen Kirchen scharf abgelehnt. Gegner der Konvention sagen, sie sei unnötig und würde Männer und Frauen gegeneinander ausspielen. Befürworter betrachten sie als Instrument zur Verbesserung des Sicherheitsnetzes für Opfer von Gewalt, da es sich um eine Liste von Lösungen zur Beseitigung von Gewalt sowie zur Stärkung der Prävention und Strafverfolgung handelt.
Gleich in den ersten Wochen seiner Amtszeit hat Staatspräsident Petr Pavel angekündigt, sich für die Unterzeichnung der Konvention einzusetzen. "Wir sind einer der letzten europäischen Staaten, die sich nicht zur Istanbul-Konvention verpflichtet haben", erinnerte er im Frühjahr auf dem Gipfel des Europarats in Reykjavík. "Ich sehe keinen einzigen wirklichen Grund, warum wir es nicht tun sollten", fügte er hinzu.
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