Nach Ansicht des ehemaligen Präsidenten Miloš Zeman hat sich Premier Petr Fiala (ODS) feige verhalten. Der von Fiala entlassene Regionenminister Ivan Bartoš (Piraten) sei zwar ein "mieser Minister, der wegen der verpfuschten Digitalisierung des Bauverfahrens längst hätte zurücktreten müssen" und "sein Geheule im Fernsehen" sei würdelos gewesen. Bartoš schiebe seine Inkompetenz auf andere, aber zum ersten Mal täten ihm die Piraten leid. Zeman sprach sich bei CNN Prima News für vorgezogene Neuwahlen aus. In der Vergangenheit sollen ihm Fiala und Justizminister Pavel Blažek (ODS) gesagt haben, dass sie eine Koalition mit der ANO in Erwägung ziehen, was laut Zeman eine Option wäre.
Ex-Präsident Miloš Zeman
Bild: Haim Zach/Government Press Office of Israel, CC BY-SA 3.0
"Auch wenn ich glaube, dass Ivan Bartoš ein lausiger Minister war, der das Bauverfahren verpfuscht hat, finde ich die Art und Weise, wie er behandelt wurde, gelinde gesagt, seltsam", erklärte Zeman. "Wenn der Premier der tschechischen Regierung sich mit seinem Minister trifft, ihn am Ende des Treffens nicht darauf hinweist, dass er ihn entlassen will, und ihn eine halbe Stunde später über die Entlassung informiert, verhält er sich nicht wie ein Repräsentant der Tschechischen Republik, sondern wie ein Feigling", so Zeman. "Die Regierung ist voll von ehrgeizigen Amateuren", meinte der ehemalige Präsident. Er wolle sich nicht mit Fiala auseinandersetzen, "der meiner Meinung nach den politischen Tod vor Augen hat, und Sie wissen ja, über Tote soll man nicht schlecht sprechen," setzte er fort.
"Ein Professor der Politikwissenschaft muss kein guter Politiker sein"
"Ich möchte die allgemeine Illusion zerstreuen, dass ein Professor der Politikwissenschaft der realen Politik nahe steht. Das ist so, als würde man sagen, dass ein Sexologe ein Casanova sein muss", erklärte Zeman die Situation um Premier Fiala, der seiner Meinung nach Bartoš "zu spät und auf äußerst unangemessene Weise" entlassen hat.
Nach Ansicht des ehemaligen Präsidenten ist die aktuelle Situation jedoch das Ergebnis einer längeren Entwicklung. "Die Krise entstand Anfang Juli dieses Jahres, als klar wurde, dass Bartoš die Digitalisierung der Bauverfahren verpfuscht hatte. Sie spitzte sich zu, als der Premier sich weigerte, Bartoš zu entlassen, und ihm verschiedene Fristen setzte, zunächst bis Ende August, dann plötzlich bis Ende September. Dann hat er plötzlich seine Meinung geändert, und Bartoš entlassen", so Zeman auf Prima weiter. "Ich habe das nie am Telefon gemacht, es war immer ein mehr oder weniger freundliches Gespräch", schüttelte Zeman den Kopf. Der Ex-Präsident kritisierte aber auch das Verhalten des scheidenden Bartoš: "Hier sehen wir wie Ivan Bartoš im TV weint, das ist eines Ministers auch nicht würdig", sagte Zeman.
Die "Pi-Ratten" verlassen das sinkende Schiff
"Es gibt einige kleine Nagetiere, von denen man sagt, dass sie als erste das Schiff verlassen. Bei den Piraten ist das symptomatisch, also wenn ich lese, dass Minister Lipavský das Piratenschiff verlässt, offenbar um weiter Außenminister sein zu können, dann ist das wiederum bezeichnend für die Situation in der Piratenpartei, die ich früher kritisiert habe, weil sie bis auf die Legalisierung von Marihuana kein positives Programm hatten, und alles andere, was sie angefasst haben, haben sie verbockt. Aber jetzt tut mir die Piratenpartei zum ersten Mal ein bisschen leid", sagte Zeman.
Neuwahlen für Zeman die beste Lösung
Zeman habe Verständnis für die Wähler, die vorgezogene Neuwahlen fordern. "Es gab eine Regierungskrise, und ich verstehe die Wähler, angeblich 52 Prozent, die jetzt das Ende der Regierung Petr Fiala und vorgezogene Wahlen fordern. Die Wähler sollen die Karten neu mischen. Wenn das nicht passiert, was dann? Die Regierung Fiala wird ein Jahr lang unbeholfen weiterregieren. Es wird eine peinliche Geschichte sein, die der Tschechischen Republik schadet und den Regierungsparteien nichts nützt, weil ihre ohnehin schon niedrigen Präferenzen weiter sinken werden", so der ehemalige Präsident.
Versagen von Petr Fiala
Seiner Meinung nach war Fiala (2012-2013 während der Regierung von Petr Nečas, ODS, Anm.) kein schlechter Bildungsminister, aber er wurde mit der schweren Last des Ministerpräsidentenamtes konfrontiert - und er hat versagt. "Die Regionalwahlen und die Europawahlen davor, waren ein Referendum über die Regierung. Natürlich sehen die Regierungsparteien das anders. Es ist ein Ausdruck einer dilettantischen Politik die bei der Mehrheit der Bevölkerung nur mehr Ekel erregt", kritisierte Zeman die regierende Fünf-Parteien-Koalition.
Fiala klammert sich möglicherweise an seinen "Todfeind Babiš" um in der Regierung zu bleiben
Laut Zeman ist eine Koalition von ODS und ANO, wie sie bereits in einigen Regionen zustande gekommen ist, nicht ausgeschlossen. Zeman behauptete auf CNN Prima, Petr Fiala und Pavel Blažek hätten ihm in der Vergangenheit mitgeteilt, dass sie eine Koalition mit der ANO von Ex-Premier Andrej Babiš in Betracht zögen. "In ODS-Kreisen gibt es eine wachsende Tendenz, mit einer starken Partei zu koalieren, denn zwei Partner sind besser als fünf", sagte Zeman. "Je nachdem, wie die Wahlen ausgehen, ist es nicht unmöglich, dass hier eine Koalition aus ANO und ODS gebildet werden könnte, und ich sehe auch nichts Falsches daran", fügte der ehemalige Präsident hinzu.
Fiala zum 80. Geburtstag des Zemans nicht eingeladen
"Es wäre heuchlerisch, wenn wir beide uns mit säuerlichem Gesichtsausdruck betrachten würden", sagte er und fügte hinzu, dass er Petr Fiala zur Feier seines 80. Geburtstages nicht eingeladen habe.
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