Die Tschechen reagieren äußerst sensibel, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Beispielsweise wenn im "reichen Deutschland" die Preise für gleiche Waren niedriger sind als im "armen" Tschechien oder im gleich eingestuften Polen. Statt sich aufzuregen, wird in Tschechien meist einfach gehandelt - indem sich die Menschen dementsprechend einschränken und die teilweise hinterlistige Preispolitik ins Leere laufen lassen, was dazu führte, dass der Handel einen kräftigen Rückgang erfuhr. Einzig bei der Mobilität, der "Schönheit" und der Hygiene wird nicht gespart. Mehrausgaben rund ums Auto und bei Kraftstoffen lassen die Statistik nicht ganz so trüb aussehen.
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Laut den aktuellen Daten des tschechischen Statistikamts ČSÚ sind die Einzelhandelsumsätze im September im Vergleich zum Vorjahr um fast vier Prozent gesunken. Verglichen mit den 2,8 Prozent im August, ist dies ein enormer Rückgang und bereits der siebzehnte Monat in Folge, in dem die Umsätze rückläufig sind. "Die preisbereinigten Einzelhandelsumsätze sind im September im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Das Tempo des Rückgangs im Vergleich zum Vormonat verstärkte sich aufgrund der Einbußen, sowohl bei Non-Food-Waren, als auch Nahrungsmitteln. Dagegen stieg der Absatz von Kraftstoffen weiterhin an", sagte Jana Gotvaldová, Leiterin der Abteilung Statistik für Handel, Verkehr und Dienstleistungen des ČSÚ.
Non-Food-Waren minus 5,9 Prozent, Benzin plus 4,5 Prozent
Der Verkauf von Non-Food-Waren sank im Jahresvergleich um 5,9 Prozent, der Verkauf von Lebensmitteln um 4,1 Prozent, während der Verkauf von Kraftstoffen um 4,5 Prozent stieg. Die Verkäufe und Reparaturen von Kraftfahrzeugen stiegen um 2,7 Prozent, gingen jedoch im Vergleich zum Vormonat um 1,7 Prozent zurück.
Unsatzrückgänge in einzelnen Branchen von bis zu 16 Prozent
Was die einzelnen Segmente betrifft, so verzeichneten die Bekleidungs- und Schuhgeschäfte mit einem Umsatzrückgang von 16,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr den deutlichsten Rückgang. Der Umsatz bei Haushaltswaren ist mit einem Minus von 10 Prozent ebenfalls stark betroffen. Bei Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen sank der Umsatz um 8,4 Prozent. Der Handel mit Computer- und Kommunikationsgeräten verzeichnete einen Rückgang von satten 6,1 Prozent.und auch bei pharmazeutischen und medizinische Waren wurde gespart. Fazit: ein Umsatzverlust von drei Prozent.
Schönheit und Hygiene bilden eine Ausnahme in der Sparpolitik der Tschechen
"Im Gegensatz zu den meisten Branchen stiegen die Umsätze für Kosmetika und Körperpflegemittel um 12,8 Prozent. Der Verkauf von Lebensmitteln in nicht spezialisierten Lebensmittelgeschäften ging um 4,2 Prozent und in spezialisierten um 1,9 Prozent zurück", heißt es in der Aussendung der ČSÚ.
Analyse der Redaktion:
Die meisten Tschechen haben eine gut geregelte Budgetdisziplin, was sich auch in der geringen Pro-Kopf-Verschudung (11.500 Euro/2022) wiederspiegelt. Im Gegensatz beispielsweise zum Nachbarland Österreich, wo nach dem Motto "Wer schimpft, der kauft" vieles möglich ist, reagieren die Tschechen mit stillen Protest, indem sie aus ihrer Sicht zu teure Ware nicht kaufen oder im Extremfall den Einkauf ganz bleiben lassen. Schon vor Covid ließen einige Lebensmittelketten verlauten, dass ihre länderübergreifende Preispolitik in Tschechien nicht richtig funktioniert. So manches Geschäft erinnerte an einem Emmentalerkäse: wenn der Preis gepasst hat war das Regal leer, wenn nicht, stapelte sich die Ware. Dadurch ist es für die Händler schwierig, besonders für die Konzerne, die meist aus Westeuropa kommen, ihre psychologischen "Preisspielchen" in Tschechien umzusetzen. Hierzulande erweist sich eine solche Preispolitik letztendlich als kontraproduktiv, wie die Statistik zeigt.
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