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11 Jun
Tschechische Sozialdemokratie: Delegierte lehnten Reformen am Parteitag weitgehend ab

Die ČSSD ist Geschichte. Die tschechische Sozialdemokratie firmiert nunmehr unter der Bezeichnung "SOCDEM". Das ist wohl die auffälligste Neuerung, die Parteichef Michal Šmarda vom 45. Parteitag in Pilsen mit nach Hause nehmen konnte. Weite Teile seiner angestrebten Erneuerung der Parteigrundsätze erhielten auf dem Kongress nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Die Delegierten akzeptierten nur ein extrem abgespecktes Reformpaket. Viele von ihnen verließen vorzeitig die Versammlung, sodass das Gremium am Ende gar nicht mehr beschlussfähig war. 

SOCDEM-Funktionäre mit Parteivorsitzendem Michal Šmarda in der Mitte

Bild: SOCDEM - tiskové oddělení 

Die Satzungsänderungen wurden bereits auf dem Kongress in Brünn im Januar abgelehnt, und der Parteivorsitzende Michal Šmarda wies in Pilsen darauf hin, dass sie seitdem ausführlich diskutiert worden seien. "Sie sind demokratisierend, sie führen zur Straffung unserer Prozesse und sie führen dazu, dass wir eine modernere und demokratischere Partei sind", betonte er. Es gelang ihm jedoch nicht, die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Delegierten zu überzeugen: Nur 35 der 125 Anwesenden stimmten für die Änderungen.

Šmardas Vorschläge sahen unter anderem eine schlankere Organisationsstruktur, die Abschaffung der Bezirksparteiorganisationen und die Direktwahl des bzw. der Parteivorsitzenden auf nationaler und regionaler Ebene vor. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden Karel Machovec sollen die vorgeschlagenen Änderungen dazu führen, dass viele Fragen auf regionaler und lokaler Ebene entschieden werden. "Wenn Sie eine Form der Direktwahl durch alle wollen, wird dies in der Satzung behandelt. Die Möglichkeit der Direktwahl sowohl des Parteivorsitzenden, als auch des Vorsitzenden der regionalen Organisationen ist dort geregelt", wies er auf dem Parteitag hin.

Der ehemalige Menschenrechtsminister Jiří Dienstbier erklärte, dass er mit der Abschaffung der Bezirksorganisationen als Element der Parteistruktur nicht einverstanden sei. Auch an anderen Einzelpunkten gab es eine Reihe von Kritik. Ex-Vizepremier Zdeněk Škromach meinte, dass die Entscheidungen besser in den Gremien fallen sollen, und nicht durch die Mitglieder.

Vladimír Špidla, ehemaliger Premier und ehemaliger EU-Kommissar, sagte zu den diskutierten Grundsätzen, dass man erst einmal wissen müsse, wohin die Sozialdemokratie steuern soll. "Wir bekennen uns nachdrücklich zu den öffentlichen Dienstleistungen als einem der wesentlichen Bestandteile des Wohlfahrtsstaates. Wir werden uns für Lösungen entscheiden, die den Sozialstaat nicht schwächen, sondern ihn vertiefen und ausbauen", betonte er. Laut Špidla sollen die Regeln für Parteispender dazu beitragen, dass SOCDEM "kein riskantes Geld" annimmt. "Der Kodex ist sehr streng, er wird die gefährliche Grauzone weitgehend beseitigen", sagte er.

Vor dem Mittag des letzten Tages beklagte Škromach, dass einige Delegierte den Kongress verlassen hätten und bezeichnete dieses Verhalten als unwürdig. "Die Delegierten sind geflohen und haben nicht zugelassen, dass der Kongress ordnungsgemäß beendet wird", sagte er. Der Hejtman der Region Pardubitz, Martin Netolický, stimmte Škromach zu. "Das Schlimmste ist, dass diejenigen, die geflohen sind, es nicht gehört haben", sagte er. Von den mehr als 200 eingeladenen Mitgliedern blieb nur etwa die Hälfte, und der Kongress war am Ende nicht beschlussfähig.


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