Am 21. Juni kündigte die ANO-Bewegung, die in Tschechien bei den EU-Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangen ist, ihren Austritt aus der liberalen Fraktion Renew Europe (RE) und aus der Europapartei ALDE an. Laut dem Vorsitzenden der Bewegung, Andrej Babiš, könne ANO ihr Programm im Rahmen der RE-Fraktion nicht umsetzen. Während ANO bislang mit Věra Jourová die EU-Vize-Kommissionspräsidentin und Wertekommissarin gestellt hat, ist künftig ein härterer Kurs gegen die europäischen Institutionen zu erwarten. Ein politischer Richtungswechsel und eine Annäherung an die Premiers der Slowakei und Ungarns, Robert Fico und Viktor Orbán, steht im Raum.
ANO-Chef Andrej Babiš mit Facebook-Selfie aus seiner Geburtsstadt Pressburg/Bratislava
Bild: Facebook/Andrej Babiš
Die ANO-Bewegung hatte letzte Woche angekündigt, die liberale Fraktion Renew zu verlassen, die von der Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron dominiert wird. Babiš argumentierte, dass die Bewegung ihre Agenda dort nicht mehr umsetzen könne. "Wir werden im Europäischen Parlament eine neue Fraktion gegen Migration und für eine Änderung des Green Deal gründen", kündigte der ANO-Vorsitzende Andrej Babiš am Morgen des 27. Juni im sozialen Netzwerk Instagram an. "Ihr werdet bald mehr wissen", fügte er kryptisch hinzu. Es ist noch nicht klar, wer seine Verbündeten sein werden.
Nach Angaben der Financial Times plante die RE-Fraktion, die ANO aufgrund langjähriger Meinungsverschiedenheiten auszuschließen. Pavel Telička, ein ehemaliger Abgeordneter der ANO-Bewegung, der sich in der Vergangenheit mit Babiš überworfen hatte, sagte dies in einem Interview mit dem Server Seznam Zprávy.
Die Gründung einer neuen politischen Fraktion im Europäischen Parlament, die verbündete Parteien aus einzelnen Ländern zusammenführt, ist recht komplex. Sie erfordert die Unterstützung von mindestens 23 Europaabgeordneten, die in sieben Mitgliedstaaten gewählt worden sind. Schon zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Endes der ANO in Renew spekulierten die europäischen Medien, dass Babiš sich in Brüssel und Straßburg mit der Fidesz-Partei des ungarischen Premier Viktor Orbán zusammenschließen könnte. Ursprünglich strebte seine Partei ein Bündnis mit den italienischen FdI von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an, die der konservativen ECR-Fraktion angehören, zu der auch die ODS von Premier Petr Fiala, also der innenpolitische "Erzfeind" von Andrej Babiš, gehört.
Laut Seznam Zprávy verhandelte Babiš auch mit der Smer-Partei des slowakischen Premiers Robert Fico, die von den Europäischen Sozialdemokraten (SPE) ausgeschlossen wurde. "Obwohl diese Parteien in der Wirtschaftspolitik nicht viel gemeinsam haben, teilen sie eine nationalistische Agenda und gelten in Bezug auf ihre politischen Methoden als populistisch", kommentierte der europäische Nachrichtenserver Euronews die mögliche Fusion.
ANO würde wahrscheinlich auch gerne mit der französischen Nationalen Sammelbewegung (RN) von Marine Le Pen oder der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders zusammenarbeiten. Dies sei auch eine bevorzugte Option für Orbán, so die Quellen von Euronews. Beide Parteien sind Teil der nationalistischen Fraktion "Identität und Demokratie" (ID).
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